Das Entfachen des olympischen Feuers in Peking wird am Freitag in Abwesenheit der Schweizer Regierung stattfinden. Das zeigt sinnbildlich das Dilemma zwischen guten Wirtschaftsbeziehungen mit dem drittwichtigsten Handelspartner und den Menschenrechten in China auf.
Noch am 12. Januar hatte sich der Bundesrat unter dem Vorbehalt der Corona-Situation dafür ausgesprochen, ein Regierungsmitglied an die Olympischen Spiele und die Paralympics nach Peking zu entsenden.
Vergangene Woche dann fiel der definitive Entscheid: Auf eine Teilnahme der offiziellen Schweiz wird verzichtet. Begründet wurde dies einerseits mit der unsicheren Corona-Situation in der Schweiz, aber auch damit, dass wegen der Corona-Massnahmen keine substantiellen bilateralen Treffen möglich seien. Nur der Schweizer Botschafter wird vor Ort sein.
Die Schweiz reiht sich damit in eine Reihe von Staaten ein, deren politische Vertreter ebenfalls den Olympischen Winterspielen vom 4. bis 20. Februar fernbleiben werden – allerdings mit einer anderslautenden Begründung.
So hatten die USA das Internationale Olympische Komitee (IOC) schon früher dazu aufgefordert, die Olympischen Winterspiele im Februar 2022 wegen Missachtung von Menschenrechte in China zu verschieben und entschloss sich später zum Boykott. Andere Länder wie Australien, Neuseeland, Grossbritannien, Kanada und Japan schlossen sich den USA an.
Boykottaufrufe auch in der Schweiz
Im Vorfeld der Olympischen Spiele hat es auch in der Schweiz Boykottaufrufe gegeben, so namentlich von Vertretungen der tibetischen Gemeinschaft in der Schweiz.
Die Frage der Menschenrechte hat immer wieder zu Differenzen der Schweiz mit China geführt. So zuletzt auch bei der Präsentation der China-Strategie der Schweiz, die Mitte März des letzten Jahres von Aussenminister Ignazio Cassis vorgestellt worden war.
Diese erstmalige Strategie legt Ziele und Massnahmen der Schweizer China-Politik für die Jahre 2021 bis 2024 fest. Der Bundesrat erachtet China als ein Schwerpunktland seiner Aussenpolitik. Er will eine Zusammenarbeit in allen Bereichen anstreben, in denen schweizerische Interessen bestehen, und er will selbstbewusst die Grundwerte vertreten, die in der Schweizer Verfassung stehen. China solle in eine liberale globale Ordnung integriert werden.
Unter anderem wurde auch festgestellt, autoritäre Tendenzen hätten in China in den letzten Jahren zugenommen, ebenso die Repression von Andersdenkenden und die Verfolgung von Minderheiten.
China wenig erfreut über Strategie
Während die Wirtschaft die Strategie begrüsste, wurde sie von linker Seite und Menschenrechtsorganisationen scharf kritisiert, weil der Fokus auf die Menschenrechte fehle. Auch Chinas Botschafter in der Schweiz Wang Shihting übte scharfe Kritik: Er warf der Schweiz Einmischung in innere Angelegenheiten Chinas vor.
«Bedauerlicherweise erhebt die Schweiz in dem Dokument unbegründete Anschuldigungen und Angriffe auf das politische System, die Minderheitenpolitik sowie die Menschenrechtslage in China», sagte der chinesische Botschafter in einem Beitrag von Radio SRF. Er zeigte sich aber auch offen für den Dialog.
Der Menschenrechtsdialog mit China lag faktisch seit drei Jahren auf Eis, nachdem von den USA eine Stellungnahme zur Politik Chinas im Zusammenhang mit der muslimischen Minderheit der Uiguren verfasst worden war. 22 Staaten schlossen sich damals mit einer Unterschrift der Stellungnahme an – dazu gehörte auch die Schweiz. China sagte daraufhin den für August 2019 geplanten Menschenrechtsdialog ab. Auch 2020 fanden keine Gespräche statt.
Die Wiederaufnahme des Dialogs stand allerdings Ende Dezember nicht unter einem guten Stern. Eine Flugzeugpanne verhinderte damals einen Besuch des Schweizer Aussenministers Ignazio Cassis mit dem chinesischen Amtskollegen Wang Yi. Unter anderem wollte Cassis damals auch die Schweizer China-Strategie erläutern. Der Austausch kam dann schliesslich doch noch zustande, wenn auch nur telefonisch.