Tokio war 1964 erstmals Austragungsort von Olympischen Spielen. Marianne Fankhauser-Gossweiler sorgte für eine Premiere. Sie war die erste Schweizer Olympia-Teilnehmerin an Sommerspielen.
Nachdem Tokio bereits den Zuschlag für die Sommerspiele 1940 erhalten hatte, diese aber zurückgab, ehe sie wegen des Zweiten Weltkrieges ausfielen, feierte die japanische Hauptstadt 1964 ihre Olympia-Premiere.
Aus Schweizer Sicht verliefen die ersten in Asien ausgetragenen Olympischen Spiele mit dem Gewinn von vier Medaillen durchzogen. Der Dressurreiter Henri Chammartin ragte mit dem Olympiasieg im Einzel und mit dem Gewinn von Silber im Team heraus. Im Judo, das erstmals im olympischen Programm figurierte, gewann Eric Hänni die Silbermedaille. Der Ruderer Gottfried Kottmann holte mit dem Skiff Bronze.
Die vier Medaillen «sollen nicht zu überschwänglicher Lobhudelei verleiten», schrieb die Nachrichtenagentur Sportinformation. Nicht alle Schweizer Olympioniken vermochten die in sie gesteckten Erwartungen zu erfüllen. Vor allem die Segler, Schützen und Kunstturner enttäuschten. «Was unseren Schweizern – auch in anderen Sportarten – fehlt, ist die Fähigkeit, bei solchen Anlässen über sich hinauszuwachsen», kommentierte der «Sport» das Abschneiden.
Fankhauser-Gossweiler gleich mit Edelmetall
Die Erwartungen übertroffen hatte die Dressurreiterin Marianne Fankhauser-Gossweiler. Die damals 21-Jährige aus Schaffhausen gewann nicht nur Silber mit dem Team, sondern nahm als erste Schweizer Teilnehmerin an Sommerspielen überhaupt eine Pionierrolle ein. Als einzige Frau im Team sei sie im olympischen Dorf, wo Männer und Frauen in getrennten Unterkünften untergebracht waren, «oft verloren gegangen», sagte Fankhauser-Gossweiler im Rückblick.
Bereits der Flug nach Tokio war für sie und ihre Reitkollegen ein grosses Abenteuer. Die Maschine musste auf dem Weg nach Japan fünfmal zwischenlanden um aufzutanken. Ein Defekt in Rangun im heutigen Myanmar verzögerte die letztlich rund 60 stündige Reise, so dass die Equipe die Eröffnungsfeier verpasste. Geblieben ist Fankhauser-Gossweiler auch die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Japaner. Aus Bekanntschaften mit Einheimischen entwickelten sich nach der Rückkehr in die Schweiz langjährige Brieffreundschaften.
Latynina erfolgreichste Olympionikin
International gab es einige herausragende Leistungen. Der erfolgreichste Athlet in Tokio war der amerikanische Schwimmer Don Schollander, der viermal Gold gewann. Die russische Kunstturnerin Larissa Latynina fügte ihrem Palmarès sechs weitere Medaillen zu. Mit 18 Medaillen, 9 davon goldene, ist die Russin bis heute die erfolgreichste Olympionikin. Erst der Amerikaner Michael Phelps übertraf Latynina an den Spielen 2008 in Peking.
Der Amerikaner Bob Hayes holte sowohl über 100 m als auch mit der Sprint-Staffel Gold in Weltrekordzeit. Fankhauser-Gossweiler hatte den dunkelhäutigen Sprinter vor Beginn der Wettkämpfe im olympischen Dorf getroffen. «Es war eine sehr eindrückliche Begegnung», wie sie in einem Interview mit der «Sonntagszeitung» verriet. Vier Jahre später gewann Fankhauser-Gossweiler mit dem Team Olympia-Bronze und lernte in Mexico-City auch ihren späteren Ehemann, den Ruderer Urs Fankhauser, kennen.
Politische Querelen und Aufbruch
Die ersten in Tokio ausgetragenen Spielen wurden von politische Querelen überschattet, standen aber auch als Zeichen des Aufbruchs. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) schloss China, Indonesien, Nordkorea, Nordvietnam und Südafrika aus. Das geteilte Deutschland trat vorübergehend zum letzten Mal mit einem gemeinsamen Team an.
Die olympische Flamme an der Eröffnungsfeier entzündete Yoshinori Sakai, ein am 6. August 1945, dem Tag des Atombombenabwurfs, in Hiroshima geborener Student. Der japanische Kaiser Hirohito eröffnete die Spiele, die für den Gastgeber, einem der Aggressoren im Zweiten Weltkrieg, eine Art Rückkehr auf die Weltbühne war.