Seit Jahren gehört Iouri Podladtchikov zur Spitze der Schweizer Halfpipe-Snowboarder. Auf die neue Saison hin sorgte der Olympiasieger selber für eine Zäsur und liess sich zurückstufen.
Iouri Podladtchikov war über ein Jahrzehnt die prägende Figur der Schweizer Snowboard-Szene, gewann sieben Medaillen an den X-Games, zwei Mal wurde er Weltmeister, 2014 in Sotschi gar Olympiasieger, im Land seiner Eltern. Ab der kommenden Saison wird Podladtchikov nicht mehr zur Elite der Schweizer Halfpipe-Snowboarder zählen, sein Kaderstatus änderte von «Nationalteam» auf «Pro», zumindest sagt das das offizielle Papier.
Die Rückstufung geschah nämlich den auf Wunsch des Zürchers, der in den vergangenen drei Jahren diverse gesundheitliche Rückschläge verkraften musste. Vom letzten, dem Riss der Achillessehne an den Weltmeisterschaften von Park City Anfang des Jahres 2019, hat er sich noch immer nicht komplett erholt. «Sie ist ein bisschen verkürzt. Die vielen Stunden zuletzt am Computer machen es auch nicht besser», sagt Podladtchikov der Nachrichtenagentur Keystone-SDA beim Gespräch anlässlich des Auftakts ins Sommertraining in Lens.
Plötzlich viel Freizeit
Podladtchikov steuert seit 2017 in einem Zick-Zack-Kurs zwischen schweren Verletzungen und Wiederaufbau auf das Karriereende zu. Kreuzbandriss an den WM 2017, an den X-Games 2018 ein Schädel-Hirn-Trauma, die gerissene Achillessehne an der WM im Jahr darauf. «Ich möchte das Ganze ein bisschen langsamer angehen, als in den letzten Jahren», sagt Podladtchikov. «Noch langsamer.» Darum habe er um die Rückstufung gebeten. Für ihn fühle es sich so einfach richtig an.
Die letzten Monate mit der Coronakrise tangierten Podladtchikovs Alltag auf mehreren Ebenen. Die Skigebiete schlossen vorzeitig und das Kunststudium, das der 31-Jährige in New York derzeit absolviert, wurde zwischenzeitlich ausgesetzt, Podladtchikov hatte plötzlich freie Zeit. Ihm persönlich habe es sicher gutgetan, auch einmal alleine zuhause zu sitzen und sich ein paar Dinge zu überlegen, sagt er. «Aber die Situation hat viel Tragisches, das man nicht ausblenden will und nicht ausblenden kann.»
«Ich hatte so viel Energie»
Die freigewordenen Ressourcen stellte Podladtchikov in den Dienst der Allgemeinheit, meldete sich freiwillig zum Armeedienst, wo er Plexiglasscheiben fertigte. «Ich hatte so viel Energie und wollte sie umsetzen», sagt Podladtchikov. Da die Skateparks geschlossen hatten und sein altes Trampolin nun bei Teamkollege Pat Burgener im Garten steht, wollte er die Energie anders nutzen, «sie in den Dienst der Allgemeinheit stellen», sagt er.
Podladtchikov, der im Sport und gemäss eigenem Erzählen auch im Studium nur eine Gangart kennt, den Sprint, verordnet sich mit der Rückstufung selbst eine Entschleunigung. Alle Zeit will er sich lassen, so sagt er es. Podladtchikov-Momente, in denen sein Ehrgeiz zu spüren ist, und die ihm 2017 unter anderem zu einer Rekordheilung eines gerissenen Kreuzbandes verhalfen, gibt es trotzdem noch.
Etwa wenn er vom bevorstehenden Training spricht, davon, dass sein Körper in den letzten Wochen an Fett zugelegt und Muskeln verloren hat. Er sagt: «Das wandelt sich sehr schnell wieder um. Jetzt, wo die Sportanlagen langsam wieder öffnen und sobald ich auf das Laufband kann, sehe ich den Horizont.»