Lara Gut-Behrami hält dem Druck in Cortina stand und gewinnt im Super-G ihren ersten WM-Titel. Es ist ein Triumph mit Ansage, aber eben auch nicht.
Als Lara Gut-Behrami im Winter 2007/08 die Weltcup-Bühne betrat, tat sie dies mit einem Paukenschlag. Gleich in der ersten Abfahrt raste sie in St. Moritz auf den 3. Platz, notabene auf dem Hosenboden wegen eines Sturzes auf den letzten Metern.
Überraschend war der erste Podestplatz nur insofern, dass Gut-Behrami keine Anlaufzeit benötigte, um auch auf höchster Stufe zu reüssieren. Aufgrund ihrer Dominanz bei den Juniorinnen galt die damals 16-Jährige früh als Ausnahmeerscheinung.
Auf den Schultern des Teenagers lastete von Karrierebeginn weg viel Druck. Medien und Trainer schürten die Erwartungen zusätzlich, indem sie das Talent der veranlagten wie fleissigen und ehrgeizigen Tessinerin auch öffentlich über jenes von Grössen wie Vreni Schneider stellten. Ein grosser Rummel ging damit einher. Und wie es so ist im digitalen Zeitalter, gab es in Foren und auf Portalen auch negative und völlig deplatzierte Kommentare von Neidern und Trollen.
Gut-Behrami, bis Ende 2018 noch ohne den Zweitnamen ihres heutigen Ehemanns Valon Behrami, wurde den hohen Erwartungen gerecht. Mehr als 20 Weltcupsiege errang sie bis ins Frühjahr 2017, bis zur Heim-WM in St. Moritz. 2015/16 gewann sie den Gesamtweltcup, in St. Moritz fuhr sie im Super-G ihre fünfte WM-Medaille ein, drei Jahre zuvor hatte sie an den Olympischen Spielen in Sotschi Bronze in der Abfahrt geholt.
Makel behoben
Es sind Erfolge, die nur ein winzig kleiner Prozentsatz derjenigen vorweisen kann, die es überhaupt bis in den Weltcup schaffen. Ein Makel blieb aber über die erfolgreiche erste Phase hinaus bestehen: In der Vita der Tessinerin fehlte eine Goldmedaille an Weltmeisterschaften oder Olympischen Spielen.
Gut-Behrami musste viel aushalten über die Jahre, an Titelkämpfen schien ihr der Druck zuzusetzen. 2017 kam es mit der psychischen Erschöpfung und der schweren Knieverletzung vor dem Kombi-Slalom an der WM im Engadin zum Knick. Manch eine wäre an den frustrierenden Resultaten und vernichtenden Kommentaren zerbrochen, Gut-Behrami gab aber nicht auf und brachte die Kritiker zum Schweigen. Ende der Vorsaison kehrte sie zum Siegen zurück, in diesem Winter erlangte sie wieder die Dominanz im Super-G und holte nun WM-Gold in dieser Disziplin.
Gut-Behrami ist geduldig geblieben. Sie trainierte beharrlich und arbeitete detailversessen an den Mängeln. «Die Rückkehr an die Spitze ist ihr gelungen, weil sie die Situation immer richtig eingeschätzt hat, sie an den richtigen Stellen geschliffen hat und immer drangeblieben ist», sagt Alpinchef Walter Reusser. «Sehr fit» sei sie, schwärmt er mit langgezogenem «e».
Die starke Physis hat Gut-Behrami auch dem Spanier Alejo Hervas zu verdanken. Der Mittvierziger gehört seit 2019 als Athletiktrainer zur Entourage der Tessinerin und ist mehr als seine Berufsbezeichnung im Vertrag, wie Reusser bestätigt. «Er ist auch ein guter Ski-Trainer.» Und vor allem: «Er bringt Ruhe rein, gibt Lara Sicherheit und Selbstvertrauen.» Hervas habe es geschafft, Gut-Behrami zu vermitteln, dass wenn diese einfach nur jeden Tag kontinuierlich arbeitet, sie wieder zu den Besten gehören wird.
Suter und Gisin zollen Respekt
Neben dem aufgeräumten Privatleben gab auch das Gut-Behrami jene Ruhe, die sie nun in Cortina am Druck nach den vier Siegen in Folge im Weltcup nicht zerbrechen liess. Nie habe sie in den Tagen und Stunden bis zu ihrem Lauf an die Goldmedaille gedacht, sagte Gut-Behrami nach ihrem Triumph. Mit Gedanken an Titel, Medaillen und Siege hatte sie sich früher selber zermürbt.
Dafür, dass die neue Weltmeisterin dem Druck standgehalten hat, zollten ihr auch Corinne Suter und Michelle Gisin den grössten Respekt. Das ist bemerkenswert, weil Gut-Behrami im Schweizer Team nach wie vor Einzelkämpferin mit dem vollen Fokus auf den eigenen Erfolg ist.
Corinne Suter sorgte mit dem 2. Platz für den perfekten Schweizer WM-Auftakt der Frauen. Die 26-jährige Schwyzerin, der es in den letzten Wochen nicht mehr ganz nach Wunsch gelaufen war, holte damit ihre dritte Medaille an Titelkämpfen. Vor zwei Jahren in Are hatte sie mit Bronze im Super-G und Silber in der Abfahrt den Durchbruch geschafft.
Es wäre wohl Bronze gewesen, wäre der drittplatzierten Mikaela Shiffrin in ihrem ersten Speedrennen in diesem Winter nicht ein zeitraubender Schnitzer unterlaufen. Mit der Amerikanerin ist an diesen Titelkämpfen definitiv wieder in vielen Disziplinen zu rechnen.
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