Marco Odermatt fühlt sich bereit für seine WM-Mission. Der Nidwaldner hat im Super-G in Courchevel seine erste von drei Chancen auf Gold.
Vier der sechs bisherigen Weltcup-Super-G in dieser Saison hat Odermatt gewonnen, in den anderen beiden ist er Zweiter und Dritter geworden. Zwei seiner Siege hat er innert 24 Stunden in Cortina d'Ampezzo eingefahren, nur eine Woche nach seiner in der ersten Abfahrt in Kitzbühel zugezogenen leichten Knieverletzung.
Realisiert, dass «im Knie etwas nicht in Ordnung ist», hat Odermatt erst mit Verzögerung. «Vorerst dachte ich daran, dass ich das Rennen verloren hatte, und dann daran, dass ich am folgenden Tag nochmals ein Rennen und damit die nächste Chance habe.» Trotz Schmerzen wollte er seine Fahrt nicht abbrechen. «Ich wollte nicht, dass jeder sieht, dass irgend etwas nicht stimmt, und bin bis ins Ziel gefahren.»
Gewissheit, dass er vor grösserem körperlichem Schaden verschont blieb, hatte Odermatt erst nach einer MRI-Untersuchung. «Zuvor hatte ich gemischte Gefühle. Ich wusste, dass nicht alles kaputt ist im Knie. Mir war aber auch klar, dass es wieder eine schlimmere Meniskus-Verletzung sein könnte, die wie vor drei Jahren eine Operation nötig gemacht hätte, womit die WM für mich vorbei gewesen wäre.» Die damalige Verletzung war ein Riss des Aussenmeniskus im rechten Knie, erlitten in einem Riesenslalom in Alta Badia. Nach einem Monat Zwangspause kehrte der Nidwaldner in Kitzbühel in den Weltcup zurück.
Therapie in Schliersee
Die vor knapp drei Wochen zugezogene Meniskus-Quetschung hat Odermatt mit Therapien behandeln lassen in einer Klinik in Schliersee. Den Kontakt zu den Spezialisten in Bayern, die schon so manchem Spitzensportler wieder auf die Beine geholfen haben, hatte Beat Feuz hergestellt. In der Zeit «weg vom Schuss», wie Odermatt sagt, ist ihm noch bewusster geworden, wie sehr er sich in einem Grenzbereich bewegt, wie sehr er die Limiten ausloten muss, um Rennen zu gewinnen. Den glimpflich abgelaufenen Zwischenfall im Steilhang der Streif nennt er «eine Ohrfeige im richtigen Moment», eine Erinnerung daran, nicht in jedem Rennen das letzte Hemd zu riskieren.
Zum Risiko bereit war Odermatt auf jeden Fall am vorletzten Wochenende in den beiden Super-G in Cortina d'Ampezzo. «Die zwei Siege kamen für mich überraschend, denn das Vertrauen in den Körper ist nach einer Verletzung irgendwo gebrochen und muss erst wieder aufgebaut werden.» Odermatt gelang das vorzüglich. Ein weiteres Mal lieferte er den Beweis, über welch mentale Stärke er verfügt, wie er in der Lage ist, sich trotz unerfreulicher Erfahrung auf seine Aufgabe zu fokussieren und alles um sich herum auszublenden.
Entspannende Gelassenheit
Mittlerweile ist die Heilung des linken Knies so weit fortgeschritten, dass sich Odermatt wieder «sehr, sehr gesund» fühlt. Die Erwartungen in der Öffentlichkeit mit Blick auf seine Einsätze in Super-G, Abfahrt und Riesenslalom in Courchevel sind entsprechend hoch. Seine Gelassenheit behält Odermatt gleichwohl bei. «Ich will mir nicht stur etwas in den Kopf setzen. Das bin nicht ich. Das habe ich noch nie gemacht. Ich habe drei gute Chancen. Wenn es funktioniert, ists super. Wenn nicht, habe ich nicht vor, meine Karriere am Ende dieses Winters zu beenden.»
Odermatt sagts und lacht. Er gibt sich auch vor den wichtigsten Rennen des Winters entspannt. Es vereinfache seine Situation zusätzlich, dass er schon eine Goldene, jene für den Olympiasieg im Riesenslalom, und Weltcup-Kugeln zuhause und auch in dieser Saison bereits wieder viele Siege habe. Exakt sind es acht Siege, vier im Riesenslalom – und die vier im Super-G.