Marco Odermatt verblüfft nach seiner verletzungsbedingten Auszeit mit seiner ersten Weltcup-Doublette. Der Nidwaldner gewinnt in Cortina d'Ampezzo zwei Super-G in 24 Stunden und sorgt im Kampf um die kleine Kristallkugel für eine Vorentscheidung.
Was kann diesen Marco Odermatt stoppen? Ein Kreuzbandriss vielleicht? Oder ein Unterschenkelbruch? Jedenfalls müsste es eine Verletzung sein, die den Schweizer über eine längere Zeitspanne vom Rennfahren abhielte. Denn die Rennen in Cortina zeigten: Ein Beinahe-Horrorsturz auf dem Höllenritt in Kitzbühel mit einer Meniskus-Quetschung und einer einwöchigen Auszeit als Folge reicht nicht.
Die zweite Abfahrt in Kitzbühel und den Riesenslalom in Schladming hatte Odermatt in den letzten Tagen auslassen müssen. In den Dolomiten kehrte er leicht verunsichert zurück – und gewann zum ersten Mal zweimal an einem Wochenende. Es waren die Siege 3 und 4 in den Super-G 5 und 6 des Winters, die Saisonsiege 7 und 8 und die Siege 18 und 19 im Weltcup. In ähnlich hoher Kadenz reihen derzeit einzig Mikaela Shiffrin (11 Saisonsiege) und, mit leichten Abstrichen, sein einziger valabler Konkurrent Aleksander Kilde (7) erste Plätze aneinander.
Schwirrten beim Sieg am Samstag noch einige Zweifel über den Zustand seines lädierten linken Knies und seine Leistungsfähigkeit nach der gefühlt mehr als einwöchigen Zwangspause in seinem Kopf herum, präsentierte sich Odermatt im zweiten Rennen auch mental wieder in alter Stärke. «Mit der Gewissheit vom Vortag war das Vertrauen ab dem ersten Schwung da. Ich war wieder im Flow, die Dinge funktionierten wieder automatisch», sagte Odermatt im SRF-Interview.
18 Fahrer scheitern, Odermatt nicht
Tatsächlich glückte Odermatt auf dem vom Schweizer Speedtrainer Reto Nydegger ausgesteckten, mit einigen kniffligen Toren versehenen Kurs ein nahezu perfekter Lauf. Die Kurssetzung sei «eine grosse Challenge» gewesen, befand Odermatt, weil es verschiedene heikle Stellen und einige Schläge im Lauf drin hatte.
18 Fahrer, unter ihnen Odermatts Teamkollegen Loïc Meillard, Stefan Rogentin, Niels Hintermann und Alexis Monney, erreichten das Ziel nicht. Bei Odermatt gingen die Schlüsselpassagen genau auf. «Gut, dass die Dinge wieder automatisch funktionierten», kommentierte der 25-Jährige und fügte an: «Die Startnummer elf kam mir angesichts der Anhaltspunkte für die heiklen Passagen sicher entgegen.»
Fast acht Zehntel betrug Odermatts Vorsprung auf den zweitplatzierten Italiener Dominik Paris im letzten Speedrennen vor den Weltmeisterschaften in Courchevel und Méribel. Dritter wurde der Österreicher Daniel Hemetsberger mit mehr als einer Sekunde Rückstand. Diejenigen Konkurrenten, die sich leise Hoffnungen gemacht hatten, dass das Schweizer «Jahrhundert-Talent» (Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann) nach dem Schreckmoment in Kitzbühel zumindest vorübergehend etwas von seiner Souplesse eingebüsst haben könnte, sahen sich eines Besseren belehrt.
Im Kampf um die kleine Kristallkugel für den Gewinn der Disziplinenwertung brachte der sechste von acht Super-G eine Vorentscheidung zugunsten von Odermatt. Während der Schweizer nachdoppelte, schied Aleksander Kilde nach einem Torfehler an der schwierigsten Stelle aus. Odermatts Polster auf den norwegischen Vorjahressieger beträgt nun 148 Punkte. Im Gesamtweltcup liegt der Nidwaldner jetzt wieder mehr als 300 Punkte vor seinem ersten Verfolger, der in den vorangegangenen elf Super-G neunmal auf das Podest gefahren war.
Fünf Anwärter für vier WM-Plätze
Zweitbester Schweizer war am Sonntag wie tags zuvor Justin Murisier. Diesmal wurde der Walliser Siebter, bloss 18 Hundertstel trennten ihn von seinem ersten Super-G-Podest.
Mit Odermatt, Murisier, Rogentin, Meillard und Gino Caviezel, am Sonntag als 23. der viertbeste Schweizer hinter Odermatt, Murisier und Giles Roulin (17.), drängen sich somit fünf Fahrer für die vier Schweizer WM-Startplätze im Super-G auf. Vor dem WM-Auftakt am 6. Februar mit der Kombination steht einzig noch ein Slalom in Chamonix (am nächsten Samstag) auf dem Programm.
SDA