Der Ski-Weltcup 2021/22 ist lanciert. Nachfolgend fünf spezielle Beobachtungen vom Stelldichein des Ski-Zirkus am Wochenende in Sölden.
Grosse Träume
Am Freitagabend trat der neue FIS-Präsident Johan Eliasch zum ersten Mal vor die grosse Journalisten-Schar. So unspektakulär der 59-jährige schwedisch-britische Unternehmer parlierte, so spektakulär waren seine Inhalte. Es blieb die Frage: Ist Johan Eliasch ein grosser Visionär oder ein grosser Träumer?
Gian Franco Kaspers Nachfolger, der in der Wahl unter anderem Urs Lehmann ausstach, träumt jedenfalls gross. 2022 werde die FIS als erster internationaler Sportverband CO2-neutral sein, kündigte Eliasch an. Zugleich schmiedet sein Gremium Pläne für Weltcuprennen in Dubai und an anderen Orten fernab der Berge.
Die Preisgelder im alpinen Skirennsport müssten seiner Meinung nach so hoch sein wie im Tennis: «Es sollte nicht so sein, dass unsere Topathleten in einem Jahr so viel verdienen wie die besten Tennisspieler in einer Woche», meinte der Milliardär. Mehr Preisgeld stehe deshalb ganz oben auf seiner langen Liste. «Nichts würde mich glücklicher machen, als wenn unsere Athleten so viel Geld verdienen wie die Tennisspieler.» Wohin die Reise des Ski-Weltverbands wohl führt?
Grosse Hoffnungen
Mit Lara Gut-Behrami ist 2021/22 zu rechnen. Die Tessinerin legte nach ihrer Renaissance einen überzeugenden Saisonstart hin und fuhr mit der ebenfalls erstarkten Mikaela Shiffrin in einer eigenen Liga, obwohl ihr laut eigenem Bekunden keineswegs zwei perfekte Läufe gelangen. Shiffrin gewann das Duell knapp, die drittplatzierte Petra Vlhova büsste 1,30 Sekunden auf die Siegerin ein. Es sei ein gelungener Auftakt, sie sei happy, befand Gut-Behrami bestens gelaunt.
Auch bei den Männern gibt es einen grossen Schweizer Hoffnungsträger. Marco Odermatt lancierte die Mission Gesamtweltcup mit seinem fünften Weltcupsieg und demonstrierte, dass seine hohen Ambitionen berechtigt sind. Dass Odermatt im ersten Lauf als Dritter abschwang, obwohl er gar kein gutes Gefühl hatte, ist ein sehr gutes Zeichen. Und dass sich das Verhältnis zwischen der Anzahl Speed- und Technikrennen in dieser Saison angeglichen hat, spielt Odermatt im Duell mit Alexis Pinturault in die Karten. Indes wird der Nidwaldner den nächsten Weltcup-Stopp am 14. November in Lech-Zürs voraussichtlich auslassen. Sein Verzicht auf den Parallel-Event sei noch nicht defintiv, aber sehr wahrscheinlich, sagte er in Sölden. Er würde nicht aus Protest gegen das umstrittene Format verzichten, sondern zugunsten einer optimalen Vorbereitung auf die Speedrennen in Nordamerika, führte er aus.
Im Nationencup legte die Schweiz im ewigen Duell mit Österreich trotz namhafter Absenzen bei den Frauen vor. Das Schweizer Team sammelte 290 Punkte, die Österreicher, die den Schweizer Hattrick als Nummer-1-Nation verhindern wollen, kamen auf 226 Punkte.
Grosse Erleichterung
Im Sommer litt Michelle Gisin stark unter dem Pfeifferschen Drüsenfieber. In Sölden meldete sich die Engelbergerin unverhofft früh zurück – zwar noch nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte, wie der 25. Rang bestätigte, aber mit wesentlich mehr Zuversicht als noch vor wenigen Wochen, als sich bereits kurze Spaziergänge wie Marathons angefühlt hatten. «Zwischenzeitlich haben wir davon gesprochen, dass ich vielleicht im Dezember wieder mit dem Skitraining anfangen kann. Jetzt bin ich schon wieder dabei», freute sich Gisin.
Mit Gisin erhielt das Rumpfteam der Frauen immerhin eine namhafte Aufwertung. Für Wendy Holdener (Handverletzungen) und Corinne Suter (Knochenprellungen an den Schienbein-Plateaus) kam der Auftakt zu früh. Im Lager von Swiss-Ski ist man aber zuversichtlich, dass sich der Trainingsrückstand nicht auf die ganze Saison auswirken wird.
Grosser Bahnhof
Der Auftakt in Sölden markierte auch das Ende der Geisterrennen im Ski-Weltcup. Fast 19'000 Zuschauer zählten die Organisatoren an den beiden Renntagen kumuliert. Die meisten der Besucher sorgten für eine gute Stimmung, eine kleine Gruppe aber auch für ein fragwürdiges Après-Ski, ohne das es in Sölden offenbar nicht geht.
Grosser Hingucker
Wie mache ich im Ski-Weltcup auf mich aufmerksam? Am besten, indem ich schnell fahre. Das tat der Amerikaner River Radamus auch. Als Sechster realisierte der 23-Jährige aus dem Bundesstaat Colorado sein persönliches Bestergebnis. Die meisten Blicke zog er aber mit seiner Frisur auf sich: einem Kurzhaarschnitt mit eingefärbtem Schneeleoparden-Muster.
Ob der Junioren-Weltmeister von 2019 damit einen Modetrend setzte, darf bezweifelt werden. Die Aufmerksamkeit war ihm aber so garantiert wie vor einem Jahr Justin Murisier, der die TV-Zuschauer mit seiner Monster-Maske zum Schmunzeln gebracht hatte. «Joo, des darf ma scho nomoi gern zeig'n heut, was sich da unter'm Helm verbirgt. Der hot wos über für Styling», fand ORF-Experte Hans Knauss. «Sagst du», erwiderte Kommentator Oliver Polzer.