«Iceman» Fünf Gründe für die Auferstehung des Carlo Janka

Von Luca Betschart

5.12.2019

Fährt zum Saisonauftakt in Lake Louise zum ersten Mal seit zweieinhalb Jahren auf das Podest: Carlo Janka.
Fährt zum Saisonauftakt in Lake Louise zum ersten Mal seit zweieinhalb Jahren auf das Podest: Carlo Janka.
Bild: Keystone

Mit seinem Podestplatz in der Abfahrt von Lake Louise meldet sich Carlo Janka am Wochenende eindrücklich im Ski-Zirkus zurück. Auch wenn es sich der Bündner selbst nicht erklären kann: Die Auferstehung kommt nicht von ungefähr.

Aus dem Nichts und zum ersten Mal in seiner langen Karriere stellt Carlo Janka in den Trainings zum ersten Speed-Rennen der neuen Saison in Lake Louise zweimal die Bestzeit auf. Im Rennen kann er den bestechenden Eindruck bestätigen und fährt überraschend auf's Podium – zeitgleich mit Landsmann und Teamleader Beat Feuz. Es ist der erste Podestplatz für Janka seit März 2017 und der Beweis, dass er auch im Alter von 33 Jahren und nach langer Leidenszeit noch mit der Weltspitze mithalten kann. «Ab und zu ist der Sport nicht erklärbar», wundert sich Janka selbst nach dem Rennen im Zielraum. Denn: Die Saisonvorbereitung verläuft für den Bündner lausig.

Nachdem Janka in der letzten Saison gegen Ende der Rennen wegen der fehlenden physischen Basis oft die Puste ausgeht, will er in diesem Sommer das Kraft- und Konditionstraining forcieren – das allerdings macht sein Rücken nicht mit. Die Probleme, die Janka aus früheren Jahren allzu bekannt vorkommen, behindern ihn bis im Oktober. Der Gesamtweltcup-Sieger von 2010 kann bloss halb so viele Tage auf Schnee trainieren wie geplant. Und selbst wenn er auf den Ski steht, kann er nicht uneingeschränkt trainieren.



Erst im letzten Trainingslager ändert sich das: «Ich konnte in Panorama das geplante Pensum durchziehen. Der Rücken blieb stabil. Es hätte zwar noch besser sein können, aber es wurde zumindest nicht schlechter», blickt Janka zurück. Seit einigen Wochen sei sein Gesundheitszustand stabil. Dass er nach der suboptimalen Vorbereitung bereits in Lake Louise wieder zu den Schnellsten gehört, grenzt allerdings an ein kleines Wunder – dennoch kommt die Auferstehung nicht von ungefähr. «Bluewin» nennt fünf Gründe:


1. Lake Louise als gutes Pflaster

29. November 2008: In Lake Louise neigt sich die erste Abfahrt des Winters dem Ende zu. 64 Fahrer sind im Ziel – der Führende Peter Fill wird sich innerlich bereits über den Sieg gefreut haben. Doch dann kommt der Italiener tatsächlich noch einmal ins Zittern: Mit der Startnummer 65 brettert ein gewisser Carlo Janka, 22 Jahre alt, der Bestzeit entgegen. Bei der letzten Zwischenzeit hat der Schweizer gar 11 Hundertstel Vorsprung, im Ziel klassiert er sich knapp hinter Fill auf dem sensationellen zweiten Platz. Es ist die Geburtsstunde eines grossen Skifahrers, der in den folgenden Jahren Olympiasieger, Weltmeister und Gesamtweltcup-Sieger werden soll.

Im Lauf seiner Karriere wird er danach durch gesundheitliche Probleme, meist am Rücken, immer wieder zurückgeworfen und als er sich 2018 das Kreuzband reisst, rechnen wenige mit einer Rückkehr zu alter Stärke – bis es am letzten Samstag zum zweiten Märchen von Lake Louise kommt. Definitiv ein gutes Pflaster für den Bündner aus Obersaxen.


2. Der Nachwuchs beflügelt

Die Rückenprobleme sollten nicht die einzige Ablenkung in Jankas Saisonvorbereitung bleiben. Nur ist die Sache am 4. September positiver Natur: Partnerin Jenny Rizzi bringt im Herbst eine gesunde Tochter zur Welt.

Dass sich Vaterfreuden durchaus auch auf der Piste beflügelnd auswirken können, glaubt auch «Kugelblitz» Beat Feuz, der 2018 ebenfalls zum ersten Mal Vater wurde: «Schön zu sehen, dass Carlo wieder vorne mitmischt. Er hatte keine Wahnsinns-Vorbereitung und keine grossen Erwartungen, dazu war er auch noch abgelenkt, weil er Vater geworden ist. Das macht es speziell. Doch es ist auch typisch für unseren Sport, in dem sich vieles im Kopf abspielt.»


3. Qualität vor Quantität

Für Janka von grosser Bedeutung ist, den lädierten Rücken vor zu grossen Belastungen zu schonen. Weniger ist im Fall des Bündners oft mehr. «Ich habe das Pensum auf den Ski reduziert. Da nehme ich mir Beat (Feuz, Anm. d. Red.) als Beispiel. Ich fahre pro Tag zum Beispiel nicht mehr fünf, sechs Läufe, sondern nur noch vier», erläutert Janka. Er habe das im letzten Trainingslager in Panorama so gehalten – und es habe funktioniert.

Zudem setzt er den Fokus auf die Speed-Disziplinen und vernachlässigt im Gegenzug technische Disziplinen. «Der Slalom belastet den Rücken sehr intensiv. Im letzten Winter stand in Wengen schon der Start in der Abfahrt wegen des Kombi-Slaloms auf der Kippe. Da muss ich mir das Ganze schon sehr gut überlegen.» Ebenfalls unwahrscheinlich ist ein Start im Riesenslalom, wo er 2010 den Olympiatitel gewann: «Ich habe ja im Riesenslalom fast nichts trainiert. Auch die Zeit mit dem Riesenslalom ist für mich vorbei.»


4. Selbstinitiative

Auffällig ist auch Jankas Eigeninitiative. Als er im Januar 2019 über Magenprobleme klagt, stellt er im Frühling seine Ernährung komplett um – und das in Eigenregie: «Ich wollte selber Verantwortung übernehmen und schauen, was es überhaupt für Wege gibt oder was mich anspricht oder wovon ich überzeugt bin. (…) Ich habe da wirklich auf eigene Faust gehandelt.» Auf die Hilfe des vertrauten Manualtherapeuten Rolf Fischer verzichtet er bewusst. Janka hat damit Erfolg, nach der Kur geht es ihm nach eigenen Aussagen effektiv besser. Hinzu kommt, dass er seinen Körper nun noch ein wenig besser kennt.

5. Gesundes Selbstvertrauen

In all den Jahren lässt sich der Bündner trotz der vielen Krisen und teilweise herber öffentlicher Kritik nicht unterkriegen. Während Kritiker vor dem Saisonbeginn hinterfragen, wieso Janka überhaupt noch im Kader von Swiss Ski figuriert, glaube er stets an eine Rückkehr in die Weltspitze: «Ich habe immer gewusst, woran es liegt. Am eigenen Körper und teilweise am Material. Vom fahrerischen Können her habe ich nie gezweifelt, dass ich noch mit den Besten mithalten kann.»

Folglich ist der dritte Rang in Lake Louise für Janka eher Bestätigung denn Sensation: «Mittlerweile bin ich gegen Kritik von aussen recht immun. Vor ein paar Jahren wäre das noch anders gewesen. Für mich war der Podestplatz eher eine Bestätigung. Ich hatte ja immer das Gefühl, dass ich nach wie vor vorne mitfahren kann, wenn alles passt.» Bleibt zu hoffen, dass das auch in Beaver Creek der Fall ist, wo an diesem Wochenende die nächsten Rennen ausgetragen werden.

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