Slalom-Coup Gisins Sieg für das Team: «Heute ist es nicht Wendy, heute bin ich es»

Von Luca Betschart

30.12.2020

Hat guten Grund zum Feiern: Die frischgebackene Weltcup-Siegerin Michelle Gisin.
Hat guten Grund zum Feiern: Die frischgebackene Weltcup-Siegerin Michelle Gisin.
Bild: Keystone

Nicht die 24-fache Podestfahrerin Wendy Holdener, sondern Michelle Gisin bricht am Dienstag in Semmering nach 19 Jahren den Schweizer Slalom-Fluch. Nach dem geschafften Coup zeigt sich der starke Zusammenhalt im Schweizer Team.

Am 29. Dezember 2012 gibt eine gewisse Michelle Gisin im Slalom von Semmering ihr Weltcup-Debüt, mit der Startnummer 44 qualifiziert sich die junge Schweizerin auf Anhieb für den zweiten Lauf. Dort scheidet sie aber aus. Auf den Tag genau acht Jahre später feiert sie an gleicher Stätte ihren ersten Weltcup-Sieg – der Kreis schliesst sich. Gisin schreibt damit nicht nur Schweizer Skigeschichte, sondern auch ein kleines, persönliches Märchen.

«Dass ich genau hier meinen ersten Sieg hole, ist einfach unglaublich. Und dann auch noch im Slalom», so die sichtlich gerührte Engelbergerin. Der Slalom ist eigentlich nicht Gisins bevorzugte Disziplin, sie bezeichnete ihre Beziehung mit dem Stangenwald auch schon als Hassliebe. An diesem Dienstag ist die Allrounderin allerdings für die gesamte Konkurrenz zu stark.



Selbst die langjährigen Dominatorinnen der Szene, Mikaela Shiffrin und Petra Vlhova, haben das Nachsehen. Gisin bricht damit eine unglaubliche Serie von 28 Weltcup-Slaloms, in denen der Sieg jeweils an die Amerikanerin oder an die Slowakin ging. Zum ersten Mal seit Januar 2017 müssen die beiden einer Konkurrentin gleichzeitig den Vortritt lassen.

Die Botschaft an die Teamkolleginnen

«Total crazy! Ich habe im Slalom viele Jahre dafür gekämpft, bin immer dran geblieben», versucht die 27-Jährige den Erfolg im Interview mit «SRF» einzuordnen. Sie hoffe, dies zeige auch den verletzten Teamkolleginnen zu Hause, dass sich der Kampf lohne. «Es kann auf einmal alles aufgehen. Das ist etwas, das uns allen viel, viel Mut gibt für das nächste Jahr – nach dem doch verkorksten 2020», so Gisin. Ohnehin schwärmt Gisin für ihr Umfeld: «Ich glaube, das ist eine Befreiung für unser Team, das seit vielen Jahren perfekt arbeitet. Sie sind alle genial.»

Das Resultat der harten Arbeit: Nach langen 19 Jahren ist die Schweizer Durststrecke im Frauen-Slalom beendet. «Das Wichtigste ist, dass wir das nicht mehr gefragt werden und dass uns das nicht mehr gesagt wird», sagt Gisin lachend. Das gelte für sie genau wie für Wendy Holdener, die langjährige Leaderin im Slalom-Team. Trotz bereits 24 Podestplätzen bleibt Holdener ein Sieg in einem Spezial-Slalom bisher noch verwehrt. Für Gisin ist das aber eine Frage der Zeit: «Heute ist es nicht Wendy, heute bin ich es. Aber sie hat alles Können, um bald auch zuoberst zu stehen.»

Holdener, die ihrerseits den guten fünften Rang herausfährt, freut sich mit Gisin: «Was Michelle heute gezeigt hat, Hut ab. Sie ist das richtig cool angegangen, ist sackstark gefahren und ich habe ihr vorher gesagt: ‹Ich versuche es schon lange und bei dir sieht es so einfach aus.› Ich freue mich sehr für sie», sagt Holdener und kündigt an: «Wir feiern sie heute noch!» An der Chemie im Team kann es eigentlich nicht gelegen haben, dass die Schweizer Slalom-Equipe der Frauen so lange auf den endgültigen Durchbruch warten musste. 

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