Der Gesamtweltcup-Zweite Marco Odermatt wird heute 24 Jahre alt. Im Interview mit blue Sport spricht das Geburtstagskind unter anderem über seine Ziele in der neuen Saison und die Bewunderung für Roger Federer.
Mit dem zweiten Platz im Gesamtweltcup und drei Weltcupsiegen hat der Nidwaldner Sonnyboy im vergangenen Winter sein grosses Potenzial bestätigt. Odermatt lässt die Skifans in diesem Land davon träumen, dass er als erster Schweizer seit Carlo Janka (Saison 2009/10) den Gesamtweltcup gewinnen könnte.
Odermatts Bekanntheit jedenfalls ist gestiegen. Damit kann er umgehen. Auch wenn er offen zugibt: «Ich bewundere Roger Federer, der seit über 20 Jahren im Rampenlicht steht. Und er bleibt dabei in der Öffentlichkeit immer freundlich.» Für den Innerschweizer ist klar: «Federers Bekanntheitsgrad werde ich nicht erreichen, und deshalb immer irgendwo eine ruhige Ecke für mich finden.»
«Der Skirennsport ist am Limit»
Der Sommer verlief für Marco Odermatt nahezu perfekt. Eine Tatsache, die seine Gegner eigentlich in Angst und Schrecken versetzen müsste. Die Vorbereitung, die harte Konditionsarbeit des Riesenslalom-Spezialisten war in einigen Vorjahren durch gesundheitliche Probleme beeinträchtigt gewesen. «Diesmal ist alles gut verlaufen. Das heisst nun aber nicht, dass ich wesentlich fitter als sonst bin. Aber eine Spur besser», fügt er hinzu.
Und das braucht es auch, will man den ganzen Winter konstant an der Spitze mithalten, um Siege und Medaillen kämpfen. «Der Skirennsport ist am Limit», sagt Odermatt. Deshalb ist die Vorbereitung so hart und intensiv. «Ein Grund dafür sind die vielen Verletzungen. Aber auch die Hundertstel-Entscheidungen. Wenn man in den letzte vier Toren noch mit Druck beschleunigen anstatt nur durchfahren kann, dann machen diese Hundertstelsekunden oft den grossen Unterschied aus.»
Wie klein die Differenz sein kann, hat der Buochser selbst erlebt. In neun von zehn Riesenslaloms war er 2020/21 unter den ersten fünf klassiert, darunter die beiden Siege in Santa Caterina und Kranjska Gora. Aber weil er sich im letzten Riesenslalom des Winters beim Final in Lenzerheide mit Rang elf begnügen musste, ging die kleine Kristallkugel für den Sieg in der Disziplinenwertung an den Franzosen Alexis Pinturault.
Der Traum und die Gefahr der Kugel
So etwas möchte Marco Odermatt nicht noch einmal erleben. Trotzdem setzt er sich keine klar definierten Ziele, sondern er versucht dort anzuknüpfen, wo er im Frühjahr aufgehört hat. «Ich weiss, was theoretisch möglich ist. Aber ein schlechter Start und schon gewinnst du keine Kugel mehr. Dieses Thema kann sich schon im November erledigt haben, wenn es am Anfang nicht wirklich läuft. Deshalb nehme ich Rennen für Rennen.»
Fr 08.10. 20:30 - 21:00 ∙ blue Zoom D ∙ CH 2021 ∙ 30 Min
Sendung ist älter als 7 Tage und nicht mehr verfügbar.
Los geht’s in zwei Wochen mit dem Auftakt auf dem Rettenbach-Gletscher oberhalb von Sölden. Odermatt weiss, dass es eine schwierige und lange Saison werden wird, mit den Olympischen Spielen im Februar 2022 in Peking als Höhepunkt. Allerdings sieht er dem Grossanlass in China auch mit einer gewissen Gelassenheit entgegen. Er verbindet mit Olympischen Spielen wenig Emotionen. Vielleicht deshalb, weil diese nur alle vier Jahre stattfinden. «In meinen Bubenträumen waren Olympische Spiele eigentlich gar nie so präsent. Im Gegensatz zu den Klassikern wie Adelboden, Wengen oder Kitzbühel.»
Den Talk mit Marco Odermatt zeigen wir auch im Free-TV auf blue Zoom:
– Freitag, 8. Oktober, ab 20:30 Uhr
– Samstag, 9. Oktober, ab 14:20 Uhr
– Sonntag, 10. Oktober, ab 14:10 Uhr
Dabei stand er noch gar nie am Start der Lauberhorn-Abfahrt. Obschon Marco Odermatt bereits im März 2016 im Weltcup debütierte und im März 2018 erstmals eine Abfahrt bestritt, kennt er die längste Weltcup-Abfahrt in Wengen nicht wirklich. Entweder war er verletzt, nicht aufgeboten oder die Abfahrt fand nicht statt. «Weil ich noch nie gefahren bin, weil es noch so weit weg ist, wäre einmal ein Sieg am Lauberhorn schon cool», gibt Odermatt freimütig zu.
Die WM-Enttäuschung als wertvolle Erfahrung
Wünsche müssen sich nicht immer erfüllen. Dies erfuhr Odermatt an der WM 2021 in Cortina d’Ampezzo. Als Medaillen-Anwärter und mit Startnummer 1 zum Riesenslalom angetreten, schied er schon im ersten Lauf aus. Sein Fazit danach war schonungslos: Das sei der härteste Tag in seiner Karriere. Aber «I will be back» («ich werde zurückkommen»), verkündete er danach über die sozialen Medien. Solche Niederlagen prägen Karrieren, lassen Sportler reifen oder daran verzweifeln.
Die WM-Erfahrung von Cortina sei wertvoll, denkt Odermatt. Das könne ihm im Hinblick auf die Olympischen Spiele helfen. «Wichtig ist es, die Energie zu behalten. Der Riesenslalom ist das wichtigste Rennen für mich. Wenn es zuvor gut gelaufen ist, kommt man in einen Flow. Wenn nicht, setzt man sich unter Druck.»
Bis es so weit ist, bleibt für Marco Odermatt noch vier Monate Zeit. Am 13. Februar 2022 ist der Riesenslalom der Männer in Peking vorgesehen. Für Abergläubische: an einem Sonntag, nicht an einem Freitag.