Snowboard Pat Burgener: Ein Leben in Stereo

SDA

10.12.2019 - 12:05

Pat Burgener führt seit zwei Jahren ein erfolgreiches Doppelleben als Musiker und Snowboarder. Diesen Weg geht der 25-Jährige in der samstags beginnenden Saison konsequent weiter.

Es gibt diese Momente, da ist Pat Burgener ganz Snowboarder. Der 25-jährige Waadtländer spricht dann von technischen Details, die er an seinen Sprüngen in der Halfpipe verfeinern will. Details, die ausserhalb der Freestyle-Szene kaum jemand versteht. Das wettkampfmässige Snowboarden ist Burgeners Welt seit er mit 13 Jahren an ersten internationalen Anlässen teilnahm. Und so gut wie jetzt lief es dem WM-Dritten von Sierra Nevada und Park City noch nie, obschon er bereits im Kindesalter als zukünftiger Olympiasieger gehandelt wurde.

Es gibt aber auch Momente, in denen Burgener der Snowboard-Szene zu entschwinden droht. Weil er seit einigen Jahren eine zweite grosse Passion lebt: die Musik. Sie begleitet ihn seit einem Kreuzbandriss 2014 intensiv, und soll es noch tun, wenn der Snowboarder längst nicht mehr an Wettkämpfen teilnimmt. Wegen der Musik pendelt Burgener mehr denn je: zwischen Lausanne und Saas Fee, Bars und den Bergen, zwischen Snowboarder und Musiker. Das Musizieren hilft ihm abzuschalten und alles auszublenden. Auch das Snowboarden.

«Was mache ich hier?»

Burgener sucht diese Momente bewusst, obwohl sie selbst für ihn mit Ungewissheit und Angst verbunden sind. Wie vor vier Monaten, als er erstmals nach ausgiebiger Saisonpause wieder in der Gondel sass, und plötzlich die Frage in ihm aufstieg: «Was mache ich hier?» Die Zweifel, was passieren würde, wenn er im Schnee ankommen und seinen Sport plötzlich nicht mehr so lieben würde, begleiteten ihn bis zur Bergstation. «Doch mit dem Moment, an dem ich das Board wieder an den Füssen hatte, war die Frage weg und der Spass wieder da.»

Letztes Jahr war Burgener während der Vorbereitung fünf Wochen in Saas-Fee. «Das war viel zu lang», findet er. Ihm schlug das tatenlose Ausharren am Berg bei schlechtem Wetter auf die Stimmung. Auch weil er wusste, dass der Musiker in ihm für das Training auf ein Konzert in New York verzichtet hatte. Gemeinsam mit Nationaltrainer Pepe Regazzi, der seinen eingeschlagenen Weg unterstützt, suchte Burgener auf diese Saison hin darum eine andere Lösung.

Eine, die mehr auf ihn zugeschnitten ist. Schliesslich reduzierten Trainer und Athlet den Trainingsumfang: Statt fünf absolvierte Burgener rund zwei Wochen in der Walliser Bergidylle. «Wir haben uns gesagt: 'Wenn ich was mache, dann richtig'«, erklärt Burgener. Also reiste er diesen Oktober, mitten in der Saisonvorbereitung, für einige Tage und ein Konzert nach New York. Trotz solcher Auszeiten hat Burgener «nicht das Gefühl, einen Tag auf dem Brett verloren zu haben».

Musikalisch lohnte sich die Reise sowieso für ihn und seine Band, die er gemeinsam mit Bruder Max und einem Jugendfreund gründete. Sie brachte neue Erfahrungen und Kontakte. Ein Manager, der schon mit Grössen wie Kings of Leon und den Guns n’ Roses gearbeitet hat, sei auf sie aufmerksam geworden. «Er war begeistert. Von unserer Musik und meiner Doppelrolle», sagt Burgener.

Das gute aus beiden Welten

Ohnehin habe er von seinem Doppelleben bislang nur profitiert. Auf dem Brett arbeitete sich der Waadtländer in der Hierarchie an Olympiasieger Iouri Podladtchikov vorbei, im internationalen Ranking belegt er hinter Überflieger Scotty James und dem Japaner Yuto Totsuka den 3. Platz, und ist auch darum für Sponsoren so attraktiv wie nie zuvor. Den derzeitigen Höhenflug im Sport erklärt sich Burgener mit der Gelassenheit, die ihm die Musik bringt. Im Tonstudio treibt ihn dann der Sportler an, «der nie zurückschaut».

Und doch: So ein Leben in Stereo – zwischen unterschiedlichen Welten – benötigt vor allem auch Verständnis und Akzeptanz im Umfeld. Von der Familie, seinen Brüdern Max und Marc-Antoine – der als Manager fungiert -, konnte er sich der Unterstützung sicher sein. Und auch Swiss-Ski hat den Wert von Burgeners zweiter Leidenschaft erkannt. Man gewährt dem Halfpipe-Aushängeschild seine Freiheiten, unterstützt ihn nach Möglichkeit.

Für ein noch flexibleres Training steht in Burgeners Garten neuerdings ein riesiges Trampolin. Aufgestellt hat er es selber, die Matten dafür aus dem Spitzensportzentrum Magglingen erhalten, und den dazugehörigen Techniktrainer über die Sozialen Medien akquiriert. Das Ziel der Aktion: «Den Fokus noch mehr auf die Technik legen.» Für die Konkurrenz muss diese Aussage von einem der ohnehin schon variantenreichsten Snowboarder auf der Tour wie eine Drohung klingen.

Der Zeitpunkt, solche Experimente zu starten, scheint ideal. Die nächsten Olympischen Spiele liegen zweieinhalb Jahre entfernt. Nach seinem 5. Platz an den Winterspielen in Pyeongchang letztes Jahr bleibt für Burgener sportlich praktisch nur ein Ziel: eine Medaille. Und sonst? In Südkorea hätten die Leute bemerkt, er sei nicht nur Snowboarder, sondern auch Musiker. In China sollen die Menschen über ihn sagen: «Das ist der Musiker, der auch sehr gut snowboarden kann.» Gut genug für eine Medaille?

SDA

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