Nach der WM folgt der Endspurt im Weltcup. Im Kampf um Kristall steht aus Schweizer Sicht Marco Odermatt im Fokus. Der Doppelweltmeister hat den Gesamtweltcupsieg und zwei weitere Kugeln in Aussicht.
Marco Odermatts Party-Laune war nach WM-Gold im Riesenslalom nicht mehr gleich ausgeprägt wie fünf Tage zuvor nach dem von grossen Emotionen begleiteten Triumph in der Abfahrt. Diesen hatte er bis in die frühen Morgenstunden mit Freunden, Trainern und Betreuern ausschweifend gefeiert. Nach seinem zweiten Titelgewinn verabschiedete sich der Nidwaldner Freitagnacht jedoch viel früher Richtung Hotel.
Nach einem anstrengenden Tag mit zwei langen Riesenslalom-Läufen, die «körperlich um einiges strenger als ein Super-G-Rennen waren» (Odermatt), war auch die Energie des Überfliegers gänzlich aufgebraucht. «Viele Leute denken, es sehe einfach aus. Ich gewinne ja immer. Aber es braucht sehr viel, um die Leistung in jedem Rennen zu zeigen.» Nur wenige verstünden, sagt Odermatt, wie viel Energie das koste.
Nur ein Tag zu Hause
Auch seine «Siebensachen zu sortieren und Hunderte Nachrichten zu beantworten», brauche seine Zeit. Der 25-Jährige muss diese Dinge erledigt haben, «damit ich ein Kapitel abhaken und zum nächsten gehen kann». Dabei schreibe er nicht allen persönlich, sondern versende er eine kurze Nachricht per Copy-Paste. «Diesmal war es ein Bild der Medaille mit ein paar Smileys. So zeigte ich, dass ich die Nachricht zur Kenntnis genommen habe.»
«Auspacken, Wäsche waschen und trocknen, gleich wieder Koffer packen.»
Am Samstagvormittag musste Odermatt auch noch zwei, drei Medien- und Fototermine absolvieren, ehe es schnellstmöglich im Auto nach Hause ging. Es zählte jede Stunde, die er in der eigenen Wohnung verbringen konnte und in welcher er wieder Kraft sammeln konnte für den Weltcup-Schlussspurt.
Allerdings war auch die Mini-Pause daheim eng getaktet, ehe am Montag der Abflug in die USA anstand. «Auspacken, Wäsche waschen und trocknen, gleich wieder Koffer packen. Zwischendurch noch etwas Therapie für das Knie und zur Regeneration», formuliert es Odermatt prägnant.
Ruhigere Tage in den USA
Mehr Zeit ist ihm – und vielen weiteren Topfahrern wie Aleksander Kilde, Alexis Pinturault und Marco Schwarz auch – nicht gegönnt. Während es für die Frauen nach der WM in Frankreich im nahen Crans-Montana mit Speed-Rennen weitergeht, ist der Weltcup-Kalender der Männer besonders unerbittlich. Bereits am kommenden Wochenende stehen Rennen in Kalifornien an.
Wobei sich Odermatt nach dem WM-Rummel auf den US-Trip freut, «weil es da ruhiger sein wird. Die Tage an der WM waren anstrengend. So war ich nur schon für die Startnummern-Auslosung zweieinhalb Stunden unterwegs – und das am Tag vor dem Rennen. Andere würden sagen, das ist doch idiotisch. Das sind genau die Stunden, die mir in der Freizeit oder für die Regeneration fehlen.»
Mit dem Riesenslalom am Samstag in Palisades Tahoe erfolgt der Auftakt in das letzte Drittel des Weltcup-Winters. Noch elf Saisonrennen stehen im Programm, davon sind gleich vier Riesenslaloms. Neben drei Abfahrten, zwei davon in Aspen übernächste Woche, sind auch noch je zwei Super-G und Slaloms zu absolvieren. Wobei zu letzteren weder Odermatt noch Kilde – sein grösster Rivale im Kampf um den Gesamtweltcup – starten.
Schönes Polster auf Kilde
Was braucht es noch, damit Marco Odermatt zum zweiten Mal in Serie die grosse Kristallkugel gewinnt? Die 313 Punkte Vorsprung auf Kilde sind ein komfortables Polster, umso mehr der Schweizer in den Riesenslaloms oftmals maximal punktet. Verteidigt Odermatt diesen Vorsprung bis vor dem Weltcup-Final in Andorra, wo vom 15. bis 19. März in den vier Disziplinen noch je ein Rennen stattfinden wird, hat er den Gesamtweltcup erfolgreich verteidigt.
Trotz der Erfolge en masse hungrig zu bleiben, ist für den Riesenslalom-Olympiasieger «nicht schwierig. Der Sieg im Gesamtweltcup bedeutet mir sehr viel. Aber es kann sein, dass man dann vielleicht im Frühling oder Sommer an einen Punkt gelangt, an welchem man sich Gedanken über mögliche weitere Ziele macht.»
Neben der grossen Kristallkugel stehen für Odermatt in den kommenden vier Wochen auch noch mehrere kleine auf dem Spiel. Während seine Aussichten auf den Disziplinen-Sieg im Riesenslalom (70 Punkte vor Henrik Kristoffersen) – trotz eines verpassten Rennens – und im Super-G (148 Punkte vor Kilde) als Führender bestens stehen, ist in der Abfahrt mit über 200 Punkten Rückstand kaum mehr ein Vorbeikommen an Dominator Kilde.