Michelle Gisins Appetit auf Erfolg in allen Disziplinen ist ungezügelt. Vor der am Samstag beginnenden Weltcup-Saison nennt die 26-jährige Obwaldnerin allerdings keine konkreten Zielsetzungen.
Ganz anders war dies vor dem letzten Winter der Fall gewesen. Im Oktober 2019 nahm Michelle Gisin kein Blatt vors Mund. Befragt nach ihren Saisonzielen sprach die Engelbergerin vom Abfahrtsweltcup, in welchem sie ganz vorne mitmischen, ja am liebsten gar gewinnen möchte, und auch davon, dass sie im Kampf um die grosse Kristallkugel die amerikanische Überfliegerin Mikaela Shiffrin herauszufordern gedenke. Diese öffentlich und wiederholt geäusserten Ambitionen fielen später im Winter, als sie sich in den Ranglisten der Speedrennen oftmals ungewohnt weit hinten fand, immer wieder auf die Kombinations-Olympiasiegerin 2018 zurück.
«Ich befürworte eigentlich, dass man seine Ziele nennt. Aber bei mir ging das letztes Jahr ziemlich in die Hosen», sagt Gisin im Rückblick. Ihre Lehre daraus für diese Saison: Weniger grosse Ansagen, dafür mehr die Leistungen auf dem Schnee für sich sprechen lassen. Sie wolle probieren, «einfach Ski fahren, so viel und so schnell wie ich kann. Den Rest schauen wir danach.»
Dabei war im Winter 2019/20 keinesfalls alles schlecht bei Michelle Gisin. Der Saisonauftakt glückte ihr gut. In den ersten vier (technischen) Rennen reihte sie sich jeweils in den ersten zehn ein, mit dem 4. Rang im Riesenslalom von Killington als bestem Resultat. Erst im Dezember, mit dem Umstieg auf die langen Ski, begannen die Probleme. Gisin, die über den Slalom in den Weltcup aufgestiegen war, fiel im Speed-Bereich in falsche Verhaltensmuster. Diese zogen sich bis Ende Saison durch.
Die nötige Zeit, Korrekturen vorzunehmen, diese Muster zu eliminieren und auch im Speed wieder die nötige Überzeugung und Lockerheit zu finden, ergab sich für die Allrounderin erst im Sommer-Training. Da sei sie froh um jeden Tag auf den Ski gewesen, so Gisin. «Ich konnte in der Abfahrt einen sehr guten Aufbau machen und im Training viele verschiedene Situationen durchspielen. Das war nach dem letzten Winter sehr wichtig für mich.»
Ebenfalls «happy» (Gisin) war sie mit der Vorbereitung auf den ersten Riesenslalom des Winters. Sowieso sei sie immer «sehr, sehr gerne in Sölden. Der Riesenslalom hier gehört zu meinen Lieblingsrennen. Schön auch, dass es in diesen speziellen Zeiten endlich wieder losgeht.» Mit speziellen Zeiten nimmt die Obwaldnerin natürlich Bezug auf das Coronavirus. Dadurch laufe im Ski-Weltcup beim Drumherum alles ein bisschen anders, «doch das tut ja momentan die ganze Welt.» Im Rennen gelte es diese Dinge möglichst auszublenden.
Und obwohl sie sich vorgenommen hat, nicht zuviel über ihre Zielsetzungen zu sprechen, sagt Gisin dann, «dass ein einstelliger Rang natürlich mein Ziel ist, schliesslich bin ich im Riesenslalom-Weltcup nach dem Rücktritt von Viktoria Rebensburg an zehnter Position, und es soll ja noch weiter nach vorne gehen.»