Das Team Norwegen ist im Langlauf die Nummer 1. Nadine Fähndrich, die Schweizer Nummer 1, hat gleich zwei neue Bezugspunkte zur stärksten Nation im Wintersport.
Ab Freitag will die 28-Jährige im Weltcup wieder vorne mitlaufen.
Die drei Weltcupsiege von Nadine Fähndrich im vergangenen Winter haben sogar bei der erfolgsverwöhnten norwegischen Equipe aufhorchen lassen. Lotta Weng ging im vergangenen März auf die Luzernerin zu und fragte, ob sie sich im Sommer nicht gerne mal dem Training der Norwegerinnen anschliessen würde.
Klar, bei solchen Anfragen geht es nicht um «Werkspionage». Vielmehr steht der kameradschaftliche Aspekt unter Sportlerinnen im Vordergrund. Trotzdem: Alle werden eben nicht angefragt, Nadine Fähndrich erhielt als Einzige aus dem Schweizer Team die Einladung.
Die Luzernerin genoss die zehn Tage im Spätsommer auf dem Passo di Lavazè und in Livigno. Unter Druck fühlte sie sich nicht, die gemeinsamen Trainings waren kein verstecktes Kräftemessen. Die intensiven Einheiten absolvierten alle individuell, um genau in der vorgegebenen Zone zu bleiben.
Trainerin aus Norwegen
Das Trainings-Camp in Italien war der zweite neue Berührungspunkt mit Norwegen. Seit dem Sommer wirkt Karoline Moen Guidon am Leistungszentrum in Davos. Die Tochter des ehemaligen Engadiner Weltcup-Athleten Giachem Guidon und der früheren norwegischen Wettklasse-Langläuferin Anita Moen wuchs in Norwegen auf und vertritt auch die norwegische Trainingslehre. «Viel Umfang! Und insbesondere bei den Frauen noch ein Fokus auf die Kraft im Oberkörper», umschreibt die 32-jährige Doppelbürgerin, die im Sommer 2018 an der Leichtathletik-EM in Berlin die Schweiz im Marathon vertreten hat, die Philosophie.
Karoline Moen Guidon coacht zusammen mit Ivan Hudac die Swiss-Ski-Frauen, wobei sich primär der Slowake der Top-Athletin annimmt. Auch der ehemalige Coach von Dario Cologna hat Nadine Fähndrich mehr Umfang verschrieben. Der Schwerpunkt auf die Grundlagen-Ausdauer ist schon wegen des Fluor-Banns notwendig. Die Ski gleiten künftig nicht mehr so schnell. Dies gilt es mit noch mehr Kondition und Kraft zu kompensieren.
«Aufs Jahr gibt es nun 920 bis 940 Trainingsstunden. Das sind zehn Prozent mehr als früher», sagt Fähndrich auf das erhöhte Pensum angesprochen. Die Frau aus Eigenthal, die nunmehr in Knutwil wohnt, spricht von einer Gratwanderung. Es bestehe das Risiko, dass man im Sprint langsamer werde, wenn man mit noch mehr Ausdauertraining einen Schritt auf die längeren Distanzen zu mache.
«Aber ich denke, ich habe nichts von meiner Schnelligkeit verloren», urteilt die erfolgreichste Schweizer Langläuferin aller Zeiten. Was nicht schadet, das nützt."Zwischen den Läufen im Sprint erhole ich mich jetzt etwas besser, und ich denke, ich kann die Kraft nun noch besser in Explosivität umwandeln.»
Auch Hudac spricht von Fortschritten. Er ortet die Steigerung im technischen Bereich. «Nadines Laufstil in den Anstiegen ist nochmals besser geworden, insbesondere bei tiefem Schnee.» Auf das Fluor-Verbot angesprochen meint er: «Die Kraft wird wichtiger werden, für Nadine bestimmt kein Nachteil.»
Erneuter Kampf um kleine Kristallkugel
Angesichts dieser positiven Vorzeichen und der Vorbereitung ohne Krankheit oder Verletzung darf sich Fähndrich hohe Ziele setzen. Die Saison beginnt am Freitagmorgen am Polarkreis im finnischen Kuusamo. «Wieder drei Siege wären schön», sagt sie, formuliert aber die Ansprüche in anderen Worten: «In jedem Sprint in den Final vorstossen, dann um das Podest und den Sieg kämpfen.» Gelingt dies, wird die 28-Jährige erneut in den Kampf um die kleine Kristallkugel für die Disziplin Sprint involviert sein.
Im Weltcup-Gesamtklassement resultierte in der vergangenen Saison Platz 5. «Wenn ich die Tour de Ski diesmal konstant durchbringe und in den Top Ten abschliesse, ist es dort bis zum Podest auch nicht mehr weit», urteilt sie.
Ein Dutzend Mal steht Fähndrichs Paradedisziplin Sprint im Winter ohne Weltmeisterschaften im Angebot. Alle vier Jahre geht es im Langlauf nicht um Medaillen. Umso mehr rücken die Heim-Events in Davos – im Rahmen der Tour de Ski – und im Goms in den Vordergrund.