Die Saison des Comebacks nach einer Verletzungspause lässt sich für Niels Hintermann gut an. Dank konstant starken Abfahrtsleistungen gehört er nun erstmals den Top 30 dieser Disziplin an.
Niels Hintermann gewann 2017 in Wengen völlig überraschend die Kombination. Den Winter danach verpasste er wegen einer Schulterverletzung komplett. Doch der mittlerweile 23-jährige Zürcher Unterländer startete mit drei 14. Rängen in den Abfahrten in Lake Louise, Val Gardena und Bormio stark in seine Comeback-Saison. Er verbesserte sich dadurch in der Weltcup-Startliste erstmals in die Top 30. Nun ist Hintermann zurück am Lauberhorn, wo er am Freitag zur Kombination und am Samstag zum Abfahrts-Klassiker starten wird.
Niels Hintermann, vor zwei Jahren gewannen Sie völlig überraschend und durchs Wetter begünstigt die Weltcup-Kombination in Wengen. Mit welchen Gefühlen kehren Sie zurück an den Ort Ihres grössten Erfolgs?
«Ganz klar: Ich freue mich gewaltig. Zudem ist das Lauberhorn ein legendäres Rennen und für uns Schweizer ein Heimspiel. Dennoch war meine Absicht, nach Wengen möglichst mit dem gleichen Gefühl wie zuvor zu den anderen Weltcup-Orten anzureisen.»
Mit welchem denn?
«Spass zu haben. Momentan verspüre ich einfach sehr viel Spass am Skisport.»
Was nehmen Sie sich für die Rennen vor?
«Auch hier: Meine Herangehensweise bleibt für jedes Rennen möglichst gleich. Ich will in der Abfahrt in die Top 25. Wenn es mir gar in die ersten 20 reicht, dann umso besser.»
Dann sind Sie über Ihre bereits drei 14. Plätze in der Abfahrt also sehr überrascht? Schliesslich konnten Sie im Winter 2017/18 wegen einer Schulterluxation, bei welcher auch ein Nerv verletzt wurde, kein einziges Rennen bestreiten.
«Vor dieser Saison hätte ich mir einen solch guten Auftakt nicht einmal erträumen dürfen. Zwar absolvierte ich eine gute Vorbereitung, zunächst im Militär, danach auch auf den Ski. Doch es gab für mich eben auch einige Fragezeichen: Wie schnell finde ich in den Rennrhythmus zurück? Wann kommt das Gefühl wieder zurück? Zu Beginn wäre ich deshalb schon mit Top-30-Plätzen glücklich gewesen. Ich dachte mir vor der Saison, dass ich dann ab Januar die wirklich guten Resultate liefern müsse. Aber auch in diesen Gedankenspielen schwebten mir nicht die Top 15 vor.»
Verspüren Sie manchmal noch Schmerzen in der Schulter?
«Zum Glück nicht. Aber es war eine wirklich sehr mühsame und vor allem langwierige Geschichte.»
Ihr Trainer Andy Evers sagte im Herbst, dass Sie in der Zeit ohne Rennen reifer geworden sind. Deckt sich das mit Ihren eigenen Eindrücken?
«Im Kopf bin ich definitiv reifer geworden. Wenn man es so nimmt, dann hatte die Verletzung zumindest etwas Positives.»
Mit Ihren bisherigen Leistungen haben Sie bereits die vom Verband geforderten Selektionsbedingungen für die Weltmeisterschaften im Februar im schwedischen Are erfüllt. Sie sind aktuell der drittbeste Abfahrer von Swiss-Ski. Haben Sie die WM also im Blickfeld?
«Nimmt man die bisherigen Resultate, mag das stimmen. Aber beispielsweise Carlo Janka ist für mich trotzdem noch immer der bessere Abfahrer als ich.»
Und was sagen Sie zur WM?
«Ich will mir gar nicht zu viele Gedanken machen. Vor zwei Jahren nach meinem Sieg in Wengen war es anders. Da dachte ich sofort an die Heim-WM in St. Moritz. Da wollte ich unbedingt starten.»
In Are, wo Sie letzten Frühling nach überstandener Verletzung mit dem Schweizer Nationalteam trainieren durften, wollen Sie das nicht?
«Natürlich will ich das. Aber mein Fokus ist nun ganz auf die kommenden drei Abfahrten (in Wengen, Kitzbühel und Garmisch - Red.) gerichtet. Da gebe ich Vollgas. Wenn die Trainer danach das Gefühl haben, mich nach Are mitnehmen zu wollen, dann gehe ich sehr, sehr gerne mit. Aber konkret im Blickfeld habe ich die WM noch nicht.»
Die WM in St. Moritz endete für Sie mit einer Enttäuschung. Die Trainer zogen Ihnen für den vierten und letzten Startplatz in der Kombination Luca Aerni vor.
«Zunächst war ich wütend, dass die Trainer gegen mich entschieden hatten. Doch es war natürlich der perfekte Entscheid, schliesslich wurde Luca Weltmeister. Ich war schnell darüber hinweg. Ausserdem sagte ich mir: Zuvor in Wengen, wo ich gewann, hätten die Trainer auch nicht unbedingt mich aufstellen müssen. Sie hätten mit guten Gründen auch einen anderen jungen Fahrer wählen können.»
Mit Beat Feuz befindet sich der weltbeste Abfahrer in der gleichen Trainingsgruppe wie Sie. Holen Sie sich manchmal Tipps von ihm?
«Beat ist ein absolut fairer Typ. Wenn man ihn etwas fragt, dann gibt er auch eine ehrliche Antwort. Wir sind aber sehr gut mit Trainern aufgestellt, die uns wertvolle Inputs und Korrekturen geben. Also muss ich nicht die anderen Athleten stören. Zudem bin ich bislang hinter den ersten 30 gestartet, deshalb war auch der Einlass zur Streckenbesichtigung jeweils eine Viertelstunde später als für die Topfahrer. So war ich auch nie in Beats Nähe.»