Ein Pechvogel meldet sich zurück. Justin Murisier fährt im Weltcup-Riesenslalom in Sölden am Sonntag zum ersten Mal seit anderthalb Jahren wieder wettkampfmässig Ski.
Justin Murisier hätte allen Grund gehabt, verzweifelt zu sein, damals, im August letzten Jahres. Im Trainingslager in Ohau in Neuseeland hatte er sich bei einem Sturz ein weiteres Mal schwer am rechten Knie verletzt. Kreuzbandriss und Knorpelschaden. Der Befund bedeutete neuerlich eine lange Zwangspause. Zum dritten Mal musste der Walliser während eines kompletten Winters aussetzen.
Das Übel mit dem rechten Knie hatte im September 2011 seinen Lauf genommen. Kreuzbandriss beim Fussballspielen in Zermatt. Elf Monate später folgte das nächste Drama. Bei der Saisonvorbereitung in Ushuaia ganz im Süden Argentiniens hielt das eben genesene rechte Knie der Belastung nicht stand. Erneut riss das Kreuzband, Murisier verpasste den zweiten Winter hintereinander. Wiederum wurde der Hochtalentierte in seiner Entwicklung auf ganz schlimme Weise eingebremst.
Annäherung ans Podium
Murisier wollte sich dem Verletzungspech nicht beugen. Sein Wille liess in ihm die Hoffnung auf bessere Zeiten schlummern. Nach einem neuerlichen Eingriff, den ein Meniskusabriss im Problemknie im Herbst vor vier Jahren erforderte, sah er sich endlich auf dem richtigen Weg und in seinem Entscheid bestätigt, die Mühen für die Rückkehr auf die Rennpisten wieder auf sich genommen zu haben. Schritt für Schritt näherte er sich der Spitze an. Vor knapp zwei Jahren in Beaver Creek in Colorado als Fünfter und in Alta Badia als Vierter war er seinem ersten Podestplatz im Weltcup schon sehr nahe.
Es war die Zeit, als er zusammen mit Loïc Meillard der grösste Hoffnungsträger war im Bestreben von Swiss-Ski, die langjährige Sorgendisziplin Riesenslalom wieder auf Vordermann zu bringen. Meillard und Marco Odermatt zeigten Murisier mit ihren Podestplätzen im vergangenen Winter auf, was ohne Verletzung auch für ihn möglich gewesen wäre.
Jetzt, in Sölden, verschwendet Murisier noch keine Gedanken an Klassierungen weit vorne in der Rangliste. Der Prolog kommt für ihn etwas zu früh. Noch bereitet ihm das rechte Knie Probleme. Noch verspürt er Schmerzen, die ihn schon im Sommer gezwungen hatten, den Trainingsumfang zu dosieren. «Ich konnte in der Vorbereitung nicht viel fahren. Deshalb ist auch das Vertrauen noch nicht ganz zurück», sagt Murisier. Mit Schmerzmitteln will er die Heilung nicht forcieren. «Davon habe ich nach meinen früheren Verletzungen genug zu mir genommen.» Stattdessen versucht er, auf seinen Körper zu hören. «Wenn es weh tut, halte ich mich zurück oder unterbreche das Training.»
Die Rückkehr erschwerte sich nach einem im vorletzten Frühling vollzogenen Ausrüsterwechsel von Völkl zu Nordica zusätzlich. Der gesteigerte Umfang an Abstimmungsarbeiten forderte Murisier zusätzlich.
Kurze Gedanken an Rücktritt
Murisier will sich auch diesmal durchkämpfen. Mit einem möglichen Rücktritt hat er sich nur einmal kurz befasst, vor ein paar Wochen, als er anhaltend starke Schmerzen verspürt hat. «Ich weiss, dass ich weiterfahren will, obwohl ich mich schon ab und zu frage, ob es Sinn macht, wenn das Knie stetig weh tut.»
Murisier weiss, dass er Geduld aufbringen und sich die Zeit nehmen muss, um wieder ganz gesund zu werden. Dass ihm das nicht leicht fällt, hat er im Trainingslager in Ushuaia zur Kenntnis nehmen müssen. «Es war schwierig zu akzeptieren, zwei Sekunden auf Loïc (Meillard) oder Marco (Odermatt) zu verlieren. Auch wenn ich wusste, dass es utopisch war zu glauben, nach nur fünfzehn Trainingstagen schon wieder mit den beiden mithalten zu können.»
Den zeitlichen Rückstand auf seine Teamkollegen will Murisier baldmöglichst verkürzen. Den Riesenslalom in Beaver Creek hat er zu seinem eigentlichen Saisonstart in Betracht gezogen. Nach Sölden bleiben ihm sechs Wochen, um den erforderlichen Schritt nach vorne zu machen. Und die Schmerzen im rechten Knie loszuwerden.
So 27.10. 09:50 - 11:05 ∙ SRF zwei ∙ A 2019 ∙ 75 Min
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