Ski alpin Das Speed-Team vor Saisonauftakt: «Als Team zusammengerückt»

SDA

30.11.2019 - 07:34

Carlo Janka forciert an der letzten WM in Are mit seiner Kritik über das fehlende Feuer im Schweizer Team den Abgang von Reto Nydeggers Vorgänger Andy Evers.
Carlo Janka forciert an der letzten WM in Are mit seiner Kritik über das fehlende Feuer im Schweizer Team den Abgang von Reto Nydeggers Vorgänger Andy Evers.
Source: KEYSTONE/JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Wie Reto Nydegger, der neue Coach des Speedteams von Swiss-Ski, die Schweizer Equipe nach den atmosphärischen Störungen in der letzten Saison und dem Abgang von Andy Evers wieder gekittet hat.

Reto Nydegger staunte nicht schlecht, als er in seiner neuen Funktion als Speedtrainer der Schweizer Alpinen mit den ersten Sondierungsgesprächen seine erste Amtshandlungen vollzog. Nach sechs Jahren bei den Norwegern, davon die letzten vier als Speedcoach im Weltcup-Team, und mit seiner zehnjährigen Vergangenheit bei Swiss-Ski als Referenz wusste er vorgängig um die Kultur-Unterschiede zwischen den beiden Lagern. Die Animositäten innerhalb der Schweizer Mannschaft, etwa zwischen den Coaches der Trainingsgruppe A um Beat Feuz und jenen der B-Gruppe um die weniger Arrivierten, überraschten den Berner aber.



Schon nach wenigen Gesprächen erkannte Nydegger, dass bei Swiss-Ski in diesem Bereich Handlungsbedarf besteht. «Ich hatte schnell einmal den Eindruck, dass jeder in erster Linie für sich schaute.» Wie Carlo Janka schilderte, zeigte sich dies in der letzten Saison mitunter darin, dass sich das Schweizer Team kaum einmal gemeinsam, also gruppenübergreifend, über Erfolge freute. Auch wenn die Athleten beteuern, dass man schon letzte Saison gut miteinander ausgekommen sei, und wenngleich der Cheftrainer Tom Stauffer betont, dass die Stimmung im Team auch unter Evers gut gewesen sei: Gewisse Spannungen unter den Trainern liessen sich nicht von der Hand weisen.

«Der Schweizer hinterfragt mehr»

Im vergleichsweise kleinen Team der Skandinavier hatte es kaum Reibungspunkte gegeben. Der Zusammenhalt sei eine grundlegende Philosophie der Norweger, sagt Nydegger. Alleingänge gab es nicht. Eine andere besondere Eigenschaft der Norweger ist die Gelassenheit. «Sie funktionieren einfacher. Sie leben immer im Jetzt und interessieren sich nicht für das Übermorgen.» Hier sei es komplizierter. «Der Schweizer hinterfragt mehr», sagt Nydegger. Ausserdem würden die grosse Mannschaft und deren grosses Umfeld eine besondere Herausforderung darstellen. Als Beispiel nennt er das Reisen, das in der Equipe um Aksel Lund Svindal und Kjetil Jansrud immer erst nach den Rennen Thema war und nicht schon drei Tage vorher wie bei den Schweizern.



In den ersten Wochen ging es also um Dinge, die in der Regel nicht zu den Hauptaufgaben eines Speedtrainers zählen. Nydegger war vor allem als Mediator gefragt. «Man kann aus einem Schweizer keinen Norweger machen. Das muss aber auch nicht das Ziel sein. Wichtig ist, dass man als Team zusammenwächst.» Mit einfachen Mitteln gelang es ihm, die gesplitteten Parteien wieder zusammenzubringen. Er führte viele Gespräche, organisierte ein Barbecue für die Trainer beider Gruppen.

Und: Er vollzog einen Wandel bei der Organisation der Trainings. Die Blöcke wurden unter ihm weniger, dafür waren sie wesentlich länger. Statt wie bisher vier Tage war man nun bis zu zwei Wochen am Stück zusammen. Die Tage mit gutem Wetter nutzte man fürs Training, die anderen, um sich kennenzulernen. Die damit verbundene Hoffnung erfüllte sich. «Wir sind als Gruppe näher zusammengerückt.»

Offenere Kommunikation

Auf Fahrerseite kommt die neue Philosophie gut an. Nicht nur Janka schätzt die offenere Kommunikation unter Nydegger. Gilles Roulin zum Beispiel sagt: «Reto kommt aktiv auf dich zu und sucht das Gespräch von sich aus. Mir kommt das entgegen.» Ob sich Jankas Trainingsbestzeit im ersten Training zur Abfahrt von Lake Louise und Gilles Roulins kleiner gewordene Zeitrückstände im teaminternen Vergleich mit den Schnellsten damit erklären lassen, sei dahingestellt. Fest steht, dass Nydeggers Einstand als Chef der Schweizer Speedfraktion gelungen ist. Der 44-Jährige hat erfolgreich vermittelt und das Team gekittet.

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