Diese Woche startet der Biathlon-Tross in Kontiolahti in Finnland in den Weltcup-Winter. Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Auftakt.
Wie präsentiert sich die Schweizer Mannschaft nach den Rücktritten von Benjamin Weger und Selina Gasparin?
Bei den Männern hinterlässt der Rücktritt des Wallisers eine grosse Lücke. Einzig Weger war in den letzten Jahren zu Top-Resultaten fähig. Er hielt sich während eines Jahrzehnts und bis zu seinem Abgang in der erweiterten Weltspitze. Sebastian Stalder, Joscha Burkhalter oder Niklas Hartweg bewegen sich (noch) nicht auf diesem Niveau. Im Team der Frauen ist Lena Häcki bereits seit einigen Jahren die Nummer 1.
Welche Schwerpunkte setzte die Schweizer Equipe nach einem eher missratenen Olympia-Winter?
Der Fokus gilt der Laufleistung. Aus diesem Grund wurde der ehemalige Trainer von Dario Cologna, Kein Einaste, aus dem Langlauf-Team in Davos gelöst und den Biathleten in Lenzerheide zugeteilt. In der Loipe hält das Schweizer Biathlon-Team weder bei den Frauen noch bei den Männern an der Spitze mit. Die Faustregel, wonach nur fürs Podest in Frage kommt, wer in der Loipe nicht mehr als drei Prozent auf den Schnellsten verliert, erfüllt niemand. Die zweite personelle Änderung betrifft Remo Krug. Der Deutsche hat von seinem Landsmann Alexander Wolf die Verantwortung für die Männer-Equipe übernommen.
Welche Resultate dürfen erwartet werden?
Für regelmässige Klassierungen in den ersten 20 kommt nur Lena Häcki in Frage. Die Athletin aus Engelberg will sich so die Basis schaffen, um möglichst rasch die WM-Kriterien zu erfüllen und auch mal einen Exploit mit einer Top-Ten-Klassierung zu setzen. Die 26-Jährige nimmt vom Sommer nur positive Gefühle mit in den Winter. Nach der Heirat mit dem deutschen Biathleten Marco Gross, dem Sohn der einstigen Biathlon-Grösse Ricco Gross, verliefen die Vorbereitungen wie geplant. Bei den Männern geht es gemäss Krug primär darum, den Plan für den Wettkampf auch in die Tat umzusetzen. Selbst wenn dies gelingt, sind Klassierungen in den ersten 20 keineswegs garantiert.
Was ist mit der einst so erfolgreichen Frauenstaffel los?
Die Schweizer Frauenstaffel, die im Winter 2019/20 mit Podestplätzen im Weltcup hatte aufhorchen lassen, war bereits im Olympia-Winter – auch wegen interner Unstimmigkeiten – nicht mehr auf diesem Niveau. Man wolle sich peu à peu zurückarbeiten, um wieder zum herausfordernden Aussenseiter zu werden, sagt Trainerin Sandra Flunger.
Was bedeutet das Fehlen der starken Nationen Russland und Weissrussland?
Auch in den vordersten Positionen werden ein paar Ränge fürs Nachrutschen frei. Aber eine gute Klassierung ist damit noch nicht garantiert. Denn in keiner Wintersportart können Athletinnen oder Athleten aus derart vielen Nationen in die Top Ten vorstossen. Insbesondere das Schweizer Frauenteam lässt die ganze Thematik nicht unberührt. Selina Gasparin ist mit einem Russen, Aita Gasparin mit einem Ukrainer verheiratet.
Wo findet der Saisonhöhepunkt statt?
Für die Schweizer Equipe sind dies die Weltmeisterschaften in Oberhof in Deutschland vom 8. bis 19. Februar. Die Premiere des Heim-Weltcups in Lenzerheide steht erst in einem Jahr im Programm (14. bis 17. Dezember 2023).
Wirft die WM 2025 in Lenzerheide bereits ihre Schatten voraus?
Ja. Über dem Schweizer Team hängt ab dieser Saison ein Damoklesschwert. Die Leistungen werden stets unter dem Blickpunkt bewertet, ob sich die hiesigen Athleten mit Blick auf die Heim-WM im Februar 2025 zu Medaillenanwärtern entwickeln. Diesem Druck lässt sich nicht ausweichen. Da aber Lena Häcki und Co. in der jetzigen Situation nicht viel zu verlieren haben, können sie die Heim-WM in gut zwei Jahren, zu denen 150'000 Zuschauer erwartet werden, primär als Chance sehen.