Das Weltcup-Wochenende in Wengen begann mit Überraschungen und verpassten Schweizer Chancen. Der Franzose Victor Muffat-Jeandet gewann die Kombination vor dem unbekannten Russen Pawel Trichitschew.
Primär Luca Aerni hätte es in der Hand gehabt, das Skifest am Fusse von Eiger, Mönch und Jungfrau aus Schweizer Sicht zu lancieren. Mit gut zwei Sekunden Rückstand auf die Bestzeit des Österreichers Vincent Kriechmayr hatte er nach der Abfahrt vor allen anderen Slalom-Spezialisten gelegen. Knapp elf Monate nach dem Titelgewinn an der WM in St. Moritz war der Weg für ihn vorgespurt, um auch im Weltcup zum ersten Mal ganz oben zu stehen.
Doch die Ernüchterung folgte schon im oberen Teil der Slalom-Piste. Aerni rutschte weg und schied aus. "Ich habe eine sehr grosse Chance verpasst. Dass mir der Fehler in 'meiner' Disziplin passiert ist, macht den Ärger und die Enttäuschung noch grösser." Aerni hätte auch seinem Vater eine besondere Freude machen können. Jean-Charles Aerni feierte am Freitag seinen 60. Geburtstag.
Auch für den bestklassierten Fahrer von Swiss-Ski, Mauro Caviezel, verlief der Tag nicht wunschgemäss. Der Bündner leistete sich sowohl in der Abfahrt auch als im Slalom zu viele (kleine) Patzer. "In der Abfahrt hätte ich mehr herausholen sollen. Da sind mir Fehler unterlaufen, die nicht passieren dürften. Der Slalom war dann ein Riesenkampf." Caviezel blieben unmittelbar vor Teamkollege Justin Murisier Platz 6 und die Erkenntnis, den zweiten Podestplatz im Weltcup trotz allem nur um acht Hundertstel verpasst zu haben.
Von 27 auf 1
Im Gegensatz zu Aerni und Caviezel packte einer seine Chance am Schopf, der zwar in Wengen vor drei Jahren in der Kombination hinter Carlo Janka schon einmal Zweiter geworden war, dem aber nach der Abfahrt wohl nur wenige den Coup zugetraut hatten. Platz 27 kam allerdings der Startnummer 4 im Slalom gleich - und Muffat-Jeandet nutzte die zu jenem Zeitpunkt noch perfekte Piste zu einer überlegenen Bestmarke und zu einer Gesamtzeit, die nicht mehr unterboten werden sollte.
Kam der Erfolg von Muffat-Jeandet unerwartet, stellte Platz 2 von Pawel Trichitschew eine grosse Überraschung dar. Der Russe fährt seit drei Jahren im Weltcup mit, hatte bislang aber zu den unbekannten Fahrern gehört. Trichitschews bisheriger Bestwert war Rang 16, den er am Samstag zuvor im Riesenslalom in Adelboden erreicht hatte.
Erster Sieg mit 28 Jahren
Muffat-Jeandet feierte seinen ersten Sieg im Weltcup. Im Alter von 28 Jahren tat er es endlich seinen Kollegen aus der starken französischen Riesenslalom-Equipe, Alexis Pinturault, Mathieu Faivre und Thomas Fanara, gleich. Pinturault, der aktuell beste Kombinierer, hatte am Freitag auf den Start verzichtet und sich damit um die Möglichkeit gebracht, die Disziplinen-Wertung zum dritten Mal in Folge für sich zu entscheiden. Die erste der zwei Weltcup-Kombinationen in diesem Winter in Bormio hatte Pinturault gewonnen. Nutzniesser war Peter Fill, der im Veltlin Zweiter war und nun in Wengen Dritter wurde. Der Südtiroler sicherte sich seine dritte kleine Kristallkugel, nachdem er in den letzten zwei Saisons als bester Abfahrer ausgezeichnet worden war.
Der in Aix-les-Bains aufgewachsene Muffat-Jeandet stammt aus gutem Haus. Den Anstoss zur Karriere als Skirennfahrer hatten seine Eltern, beides Mediziner, gegeben. Der Kauf einer Ferienwohnung in Bonneval-sur-Arc sollte dazu dienen, um dem Sohn bessere Trainingsmöglichkeiten zu bieten. Trainer im dortigen Skiklub war ein sehr guter Freund des Vaters.
Muffat-Jeandet junior fand immer mehr Gefallen an seinem Tun und setzte schliesslich vollends auf die Karte Skisport. Ein Studium in Naturwissenschaft und Technik brach er nach drei Semestern ab. Er sah sich nicht in der Lage, beides unter einen Hut zu bringen.
In der Elite etablierte sich Muffat-Jeandet ausgerechnet im Anschluss an einen vor knapp fünf Jahren erlittenen Kreuzbandriss. Nach der Verletzung intensivierte er das Training - und schaffte vier Monate nach der Rückkehr mit Rang 7 im Riesenslalom in St. Moritz seine erste Klassierung unter den ersten zehn im Weltcup.
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