Swiss-Ski-Präsident Lehmann «Man soll zeigen, wie das mit dem Mehr-Geld-Hereinholen funktioniert»

voe, sda

5.2.2023 - 10:08

Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann applaudiert in Wengen den Siegern des Super-G.
Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann applaudiert in Wengen den Siegern des Super-G.
Keystone

Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann spricht im Interview mit Keystone-SDA über seine Erwartungen für die WM, über seine nächste Vision und das getrübte Verhältnis zu FIS-Präsident Johan Eliasch.

voe, sda

Urs Lehmann, die Schweiz hat an den letzten Grossanlässen jeweils sehr gut abgeschnitten und ist in dieser Weltcup-Saison mit Abstand die Skination Nummer 1. Wie gross sind Ihre Hoffnungen auf ein gutes Abschneiden an der WM in Courchevel und Méribel?
Wir sind zuversichtlich, das Selbstvertrauen im Team ist gross. Weniger wegen den vergangenen Grossanlässen, sondern vielmehr wegen der sehr erfolgreichen Saison. Wir haben überragende Athleten. Aber auch das Team ist breit aufgestellt. Aufgrund der aktuellen Resultate dürfen wir ohne Überheblichkeit sagen, dass wir in allen Disziplinen Chancen auf eine Medaille haben. Das empfinde ich als Privileg.

Die Schweiz als ‹équipe à battre› also?
Betrachtet man die Saison, dann ist das so. Gerade der Riesenslalom in Schladming, wo Marco Odermatt pausieren musste, es aber durch Loïc Meillard und Gino Caviezel trotzdem einen Schweizer Doppelsieg gab, hat die Stärke des Schweizer Teams gezeigt.

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Jetzt kommt noch ein Aber...
...ich würde mich nie trauen, eine Aussage zu machen, dass wir die zu schlagende Mannschaft sind. Grossanlässe haben immer eigene Gesetze. So hast du bei den Frauen Überfliegerinnen wie Mikaela Shiffrin oder Sofia Goggia. Bei den Männern gibt es Aleksander Kilde, aber auch Vincent Kriechmayr. Wir dürfen uns also nicht zu sicher sein, sondern jede Medaille muss erkämpft werden. Kommt hinzu, dass Breite an Weltmeisterschaften nicht gilt. Es gibt den saloppen Spruch, dass ein vierter und ein zwanzigster Platz das Gleiche ergeben, nämlich keine Medaille. Aber nur diese zählen.

In vier Jahren wird Crans-Montana WM-Gastgeber sein. Werden Sie an der diesjährigen WM die Augen also auch hinsichtlich 2027 offenhalten?
Zum Teil sicher. Auch Caroline Kuyper, die als CEO seit kurzem unser operatives WM-Geschäft verantwortet, wird an zehn Tagen vor Ort sein und sich ein Bild machen. Der Austausch mit den Organisatoren von Courchevel und Méribel ist wichtig. Aber klar, 2025 steht noch die WM in Österreich an, und da werden wir den Anlass noch enger begleiten.

Was ist der aktuelle Stand in Crans-Montana?
Ein zentraler Schritt für das Gesamtprojekt war die Anstellung von CEO Caroline Kuyper. Es geht – zwar nicht im medialen Fokus, aber im Hintergrund – massiv vorwärts. Langfristige Dinge wie Bauten, Zielstadion und Pisten haben Priorität und sind schon jetzt am Laufen. Auch klar ist: Es gibt noch extrem viel zu tun. Dessen sind wir uns alle bewusst.

Unter Ihrer Führung ist Swiss-Ski extrem gewachsen. Ist nun ein gewisser Plafond erreicht oder sind noch weitere grosse Würfe möglich?
Die nächste grosse Vision habe ich bereits. Ich nenne es das Holländer-Modell, weil sie es in den Niederlanden hervorragend machen. Da können wir in der Schweiz noch viel lernen.

Um was geht es genau?
Um Breitensport und darum, die Breite besser abzuholen und zu aktivieren. Wir haben rund 100'000 Mitglieder bei Swiss-Ski, in diesem Bereich soll in Zukunft deutlich mehr geschehen. Deshalb haben wir innerhalb der Geschäftsleitung neu einen Bereichsleiter Breitensport.

Themawechsel: Präsident Johan Eliasch will die FIS modernisieren und unter anderem über eine zentralisierte Vermarktung mehr Geld ins System bringen. Was ist der Stand im Konflikt zwischen der FIS und einigen grossen Verbänden?
Mir ist wichtig zu sagen, dass sich die Schweiz überhaupt nicht gegen die Zentralisierung der Vermarktung wehrt. Ich habe selber immer wieder aufgezeigt, wie man das zentralisieren könnte. Von Anfang an habe ich aber auch gesagt, dass es wohl frühstens 2026 wird, bis man diese umsetzen könnte. Doch bevor es eine solche gibt, wollen wir ein exaktes Konzept sehen, wie das genau erfolgen soll. Das ist nichts als legitim und auch zum Schutz unserer Organisatoren.

In einem Interview sagte Johan Eliasch kürzlich, dass – entgegen den bisherigen Gepflogenheiten – auch die TV-Rechte dem Weltverband gehören würden und dass dies gerichtlich bestätigt sei. Ist das wirklich so?
Das ist vor allem seine Sicht und Interpretation. Wir und die Experten sind klar der Meinung, dass das mit den Rechten sich anders verhält.

FIS-Präsident Eliasch sagte zuletzt auch, dass die allergrösste Mehrheit der über 140 FIS-Mitgliedsverbände hinter ihm, der Zentralisierung und dem Wandel stehen würden und dass die Schweiz, Deutschland und Österreich sehr isoliert dastünden. Deckt sich das mit Ihrem Eindruck?
Keineswegs. die O.P.A. (Organisation der Skiverbände der Alpenländer – Red.) hat Anfragen von Verbänden, die dazu stossen wollen. Mittlerweile sind wir schon 13 Länder. Das zeigt doch, dass die Schweiz, Deutschland und Österreich nicht isoliert sind.

Der Kooperationsvertrag zwischen diesen drei Ländern sowie die Bekanntgabe während Kitzbühel könnte als Provokation wahrgenommen werden.
Das sollte es aber nicht. Es handelt sich vielmehr um einen Mechanismus, mit welchem drei der stärksten Verbände das System Schneesport stärken wollen. Wir bei Swiss-Ski im Präsidium und der Geschäftsleitung würden unsere Rolle nicht wahrnehmen, wenn wir nicht die Interessen der Schweiz vertreten würden. Wir haben in den letzten 15 Jahren sehr viel bewegt und erreicht. Nun müssen wir besorgt sein, dass alles in guten Bahnen bleibt. Das ist die Absicht, auch bei unseren Partnerländern. Es ist also keine Provokation, sondern die Absicht, den Schneesport zu entwickeln.»

Als Reaktion auf die Androhung des FIS-Präsidenten, dass bestehende Verträge missachtet werden sollen?
Genau. Das ist das zentrale Thema. Wir haben bestehende Verträge, die teils bis 2028 gehen. Unsere Wertvorstellungen sagen klar, dass man Verträge einhält. Stimme ich einfach etwas anderem zu, würde ich mich haftbar oder sogar strafbar machen. Gewisse Leute wollen das leider nicht begreifen. Dazu kommt, dass ich unter allen Umständen verhindern will, dass unser System gegenüber dem jetzigen Zustand schlechter gestellt wird.

Johan Eliasch posiert zwischen Mikaela Shiffrin und Marco Odermatt.
Johan Eliasch posiert zwischen Mikaela Shiffrin und Marco Odermatt.
KEYSTONE

FIS-Präsident Eliasch sagt immer wieder, dass es mehr Geld für alle geben würde, dass er pro Jahr wohl 30 bis 40 Millionen Euro mehr herausholen könnte. Warum wehren Sie sich also?
Die Zentralisierung der Vermarktung wäre auch mein Plan gewesen. Von daher bin ich völlig einverstanden. Aber es ist auch legitim, dass die Verbände wissen wollen, ab wann genau mehr Mittel generiert werden sollen und welcher Verteilschlüssel gelten soll. Man soll uns zeigen, wie das mit dem Mehr-Geld-Hereinholen funktionieren soll.

Falls man sich nicht findet: Ist eine Spaltung der FIS für Sie denkbar?
Das ist sicher nicht das Ziel.

In Bälde ist das Urteil des CAS zu erwarten, ob 2022 bei der Wiederwahl von Johan Eliasch alles korrekt ablief. Was sind Ihre Hoffnungen in diesem Bereich?
Wichtig ist, dass wir klare Regeln für die Zukunft haben. Je früher das Urteil kommt, desto besser für alle Involvierten. Hängige Verfahren sind nie gut.

Zu hören ist, dass sich Eliasch und Lehmann nicht mehr viel zu sagen
haben ...
Das ist vielleicht eines der Probleme.

Können Sie diese Probleme näher bezeichnen?
Die Situation ist grundsätzlich für alle und den ganzen Skisport als solchen schwierig und herausfordernd. Das hat sich so ganz bestimmt niemand gewünscht.