Kitzbühel Ach, wie schön ... Zehn Schweizer Triumphe in der Höhle des Löwen

Luca Betschart

24.1.2020

Didier Défago (links) und Didier Cuche sicherten der Schweiz insgesamt sechs Abfahrtssiege in Kitzbühel.
Didier Défago (links) und Didier Cuche sicherten der Schweiz insgesamt sechs Abfahrtssiege in Kitzbühel.
Bild: Keystone

Nur eine Woche nach den Lauberhorn-Rennen folgt für die Abfahrer auf der Streif der nächste Klassiker. «Bluewin» blickt auf Schweizer Sternstunden in Kitzbühel zurück.

Am Samstag stürzen sich die alpinen Skifahrer in Kitzbühel wieder mit halsbrecherischen Tempi die Streif herunter. Für die Abfahrt stellt die Schweiz mit Lauberhorn-Sieger Beat Feuz einen ganz heissen Kandidaten auf den Sieg. 2016, 2018 und 2019 wurde Feuz jeweils Zweiter, die Zeit ist Reif für einen Sieg. Zumal mit Dominik Paris (er gewann in Kitzbühel 2013, 2017 und 2019) sein aktuell grösster Rivale aufgrund eines am Dienstag im Training zugezogenen Kreuzbandrisses für den Rest der Saison ausfällt.



Der letzte Schweizer Sieg in Kitzbühel datiert aus dem Jahr 2012, es war ein historischer Triumph, dazu später mehr. «Bluewin» blickt zurück auf zehn Schweizer Siegfahrten in der Höhle des Löwen.


Die Liste aller Sieger seit 1931 finden Sie hier


   1989

Ein Schweizer Tag

Daniel Mahrer

Vor rund 25'000 Zuschauern holt sich der Churer seinen bis dahin wertvollsten Sieg im Weltcup und krönt dabei eine starke Schweizer Teamleistung mit drei Fahrern in den ersten Fünf. Pirmin Zurbriggen (4.) und Peter Müller (5.) verpassen dabei den Sprung aufs Podest nur knapp. Die Basis zu seinem Coup legt Mahrer im technisch anspruchsvollen Startteil, wo er in der Mausefalle und im Steilhang viel Zeit auf die Konkurrenz herausholt. Schlussendlich ist er mickrige sieben Hundertstel schneller als der Zweitplatzierte und Vortagessieger Marc Girardelli. 


   1991

Ein Bubentraum geht in Erfüllung

Franz Heinzer

Mit dem exakt gleichen Vorsprung wie Mahrer sichert Franz Heinzer der Schweiz zwei Jahre später den insgesamt achten Abfahrtssieg am Hahnenkamm. In einem turbulenten Rennen mit viel Nebel und zahlreichen Unterbrüchen sichert sich der Schweizer mit der Startnummer 2 den lang ersehnten Sieg auf der Streif, nachdem ihm 1985 nur Pirmin Zurbriggen vor der Sonne stand. «Damit ist ein Bubentraum in Erfüllung gegangen. Ein Hahnenkamm-Sieg ist für jeden Skifahrer etwas Besonderes», sagt Heinzer.


   1992

Ein Schweizer Dreifachsieg und das Double

Franz Heinzer

Ein Jahr später doppelt der Rickenbacher gleich nach und feiert dabei mit den Schweizer Abfahrern einen noch nie dagewesenen Triumph auf der wohl schwierigsten Strecke der Welt. Hinter Heinzer belegen Daniel Mahrer und Xavier Gigandet die Plätze zwei und drei und sorgen für einen Schweizer Dreifachsieg. Hinter dem Norweger Arnesen rundet William Besse das sensationelle Teamergebnis als Fünfter ab. Heinzer: «Ich gab alles, was ich hatte. Ich versuchte am Start, mit einem hundertprozentigen Angriff zu explodieren und dabei den Körper und das Material zu beherrschen.» Ausserdem sei er durch die starken Leistungen der Teamkameraden zusätzlich motiviert worden. 

Im Gegensatz zu diesen legte Heinzer bloss 24 Stunden später erneut nach und krönte sich gar zum dritten Mal in Serie zum grossen Sieger einer Abfahrt auf der Streif, was seit dem Österreicher Franz Klammer (1975–77) keinem Fahrer mehr gelang. Mit einer nahezu perfekten Fahrt unterbot er den eigens aufgestellten Steckenrekord vom Vortag um ganze 64 Hundertstel. Mit Gigandet als Vierter, Mahrer als Sechster und Besse als Elfter konnten die restlichen Schweizer nicht ganz an die Auftritte der ersten Abfahrt anknüpfen. Trotzdem: Die Streif war zu dieser Zeit fest in Schweizer Hand.   


   1998

Der «unechte» Triumph

Didier Cuche

Der damals 23-jährige Didier Cuche galt als die Neuentdeckung der Saison und sorgte in Kitzbühel für eine grosse Überraschung. Der Neuenburger gewann die in zwei Läufen ausgetragene Sprintabfahrt vor einem französischen Trio, obwohl er die Streif in diesem Jahr erst zum zweiten Mal befuhr. Als jüngster Abfahrtssieger des Winters wurde er darauf von Journalisten mit dem österreichischen Überflieger Hermann Maier verglichen. «Ich bin aus zwei Gründen kein Maier. Erstens kam Hermann erst sehr spät in die Kader, während ich alle Stufen durchlaufen habe. Zweitens fährt er viel besser Ski als ich», sagte Cuche dazu.  


   2008

Der Durchbruch

Didier Cuche

Spätestens zehn Jahre später bewies Cuche, dass er an gewissen Tagen gar besser Ski fährt als der «Herminator». Der gelehrte Metzger triumphiert 2008 erstmals auch in der «echten» Hahnenkamm-Abfahrt und nimmt Maier (5. Rang) sechs Zehntelsekunden ab. Vor rund 42'000 Zuschauern verwies er die zeitgleichen Bode Miller und Mario Scheiber um 27 Hundertstel auf den zweiten Platz. Dank dem neuerlichen Triumph wurde anschliessend auch eine Gondel der Hahnenkamm-Bahn nach ihm benannt. Denn: Vor zehn Jahren war ihm diese Ehre als Sieger der Sprintabfahrt noch nicht zuteil geworden. «Damals kannte man noch nicht einmal meinen Namen», erinnert sich Cuche, der sich deshalb ein Mikrofon geschnappt und dem Publikum erklärt hatte: «Ich heisse nicht Küche, sondern ‹Güsch›.» 


   2009

Ein Sieg für Albrecht

Didier Défago

Drei Tage nach dem dramatischen Sturz von Daniel Albrecht herrschte im Schweizer Team dank Dider Défago so etwas wie gedämpfte Siegesfreude. Der Walliser gewann eine Woche nach der Lauberhorn- auch die Hahnenkamm-Abfahrt und schaffte damit das begehrte «Double», was vor ihm bloss zwölf Abfahrern gelang. Dadurch stieg der damals 31-Jährige vom unscheinbaren Platzfahrer, der in 87 Abfahrten nie auf dem Podest gestanden war, auf den Ski-Olymp und trat endgültig aus dem Schatten seines Namensvetters Didier Cuche. Den entscheidenden Vorsprung holte Défago am Hausberg heraus, wo er eine unglaubliche Kampflinie gewählt hatte. «Es war mehr Zufall als Absicht, dass ich diese Linie gefahren bin», gestand Défago hinterher.

Doch selbst in der Euphorie dachte er an seinen schwer verunglückten Kollegen Daniel Albrecht, der immer noch im künstlichen Koma in der Uni-Klinik Innsbruck liegt: «Ich hoffe, dass mein Sieg Dani Kraft geben wird, wenn er aus dem Tiefschlaf erwacht.»


2010 – 2012   

Hattrick und Aufstieg zum Rekordsieger

Didier Cuche

2010 wurde Kitzbühel innert 24 Stunden zum «Cuche-bühel»: Nach dem Triumph im Super-G vom Freitag sichert sich Cuche vor unglaublichen 44'000 Zuschauern bereits seinen dritten Abfahrtssieg auf der Streif. Allerdings zum ersten Mal ohne jeglichen Makel: 1998 hatte er «nur» eine Sprint-Abfahrt gewonnen, 2008 war der Start oberhalb der Mausefalle erfolgt. Nun aber bezwang er die Streif auf der ganzen Länge von 3312 Metern.

Ein Jahr später legte der Romand noch einen drauf und distanzierte die gesamte Konkurrenz um beinahe eine Sekunde. Mit seinem vierten Abfahrtssieg egalisierte Cuche die Rekordmarke der Ski-Legende Franz Klammer. Dieser lobte den Schweizer anschliessend in den höchsten Tönen: «Es war unglaublich zum Zuschauen. Er hat es verdient.» Cuches erneuter Triumph sorgte gleichzeitig dafür, dass das Schweizer Abfahrtsteam beim Klassiker mittlerweile seit vier Jahren ungeschlagen blieb. Und die Serie sollte noch nicht zu Ende sein.


Denn Didier Cuche raste auch 2012 allen davon, sicherte sich zum fünften Mal den Sieg in der Hahnenkamm-Abfahrt und krönte sich damit zum alleinigen Rekordhalter. Im aufgrund des starken Schneefalls erneut als Sprint-Abfahrt ausgetragenen Rennen verhinderte Cuche, der zwei Tage zuvor seinen Rücktritt auf Ende Saison bekannt gab, einen dreifachen Heimsieg für Österreich. «Dass ich am Start wusste, dass ich hier zum letzten Mal starten werde, macht es noch spezieller.» 


Es sollte bis heute der letzte Schweizer Sieg auf der Streif bleiben. Trotzdem sind die Hoffnungen für dieses Jahr (Samstag, 11:30 Uhr) wieder gross.

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