Anfang 2017 gibt Camille Rast mit Rang 9 in Kronplatz eine Kostprobe ihres Talents ab. Was danach folgt, ist eine komplizierte Krankheits- und Verletzungsgeschichte. Jetzt ist die Walliserin zurück.
Die Schweizer Technikerinnen reisen derzeit als Mini-Team durch Europa. Mit Charlotte Chable, Aline Danioth, Andrea Ellenberger und Elena Stoffel fällt gleich ein Quartett mit einem gerissenen Kreuzband aus. In den Weltcup-Slaloms zuletzt standen gerade noch vier Schweizerinnen am Start.
Im Sog des Top-Duos Wendy Holdener (3.)/Michelle Gisin (5.) brillierte am Dienstag in Flachau auch die zweite Garde mit Camille Rast als Sechste und Mélanie Meillard als 13. Beide Walliserinnen haben damit das WM-Ticket auf sicher. Wie die 22-jährige Meillard, die nach ihrem unmittelbar vor Olympia 2018 in Pyeongchang erlittenen Kreuzbandriss erst in diesem Winter wieder langsam auf Touren kommt, hat auch die ein Jahr jüngere Teamkollegin eine umfangreiche Kranken-Akte vorzuweisen.
Schon einmal hatte Camille Rast den Durchbruch an die Weltspitze (fast) geschafft. Ende Januar 2017 fuhr sie beim Riesenslalom in Kronplatz in ihrem erst fünften Weltcup-Rennen sensationell auf den 9. Platz. Trotz nicht gänzlich erfüllter Selektionskriterien kam die damals 17-Jährige drei Wochen später an der Heim-WM in St. Moritz zu zwei Einsätzen. «Alles ging diesen Winter so schnell. Viel schneller als ich es mir vorstellen konnte», sagte Rast damals im Engadin. Sie wolle es einfach geniessen und «auf diesem guten Weg weiterfahren».
Der tiefe Fall
Doch noch im gleichen Frühjahr kam Rast von ihrem guten Weg ab, sah sie ihren Aufstieg durch das Pfeiffersche Drüsenfieber jäh gestoppt. Die folgenden zwei Winter wurden durch die Infektionskrankheit, die unter anderem Phasen grosser Müdigkeit verursacht, und deren Nachwirkungen stark beeinträchtigt. Nur gerade sechsmal startete sie in dieser Phase zu einem Weltcuprennen, zweimal reichte es ihr immerhin in die Punkte.
Als es Rast endlich wieder besser lief, folgte sogleich der nächste Rückschlag. Am 24. März 2019, einen Tag nach dem gewonnenen Schweizer Meistertitel im Riesenslalom, riss sie sich in Hoch-Ybrig im letzten Saisonrennen das Kreuz- und Innenband am rechten Knie. Eine neuerliche Prüfung, welcher sie sich stellen musste. Diese zu akzeptieren, sei «nicht einfach» gewesen, sagte die Walliserin aus Vétroz danach. «Diese Verletzung kam zu einem Zeitpunkt, als ich wieder mein höchstes Leistungsniveau abrufen konnte.»
Die begeisterte Mountainbike-Fahrerin hat in den vergangenen Jahren gelernt, Geduld zu haben und auf ihren Körper zu hören. «Früher wollte ich vielleicht auch mal zuviel. Man sagt ja oft, dass eine Verletzung kommt, wenn sie kommen muss. Ich musste sie also akzeptieren. Das fiel mir mit der Knieverletzung einfacher, denn da gibt es eine Skala, was man wann machen kann. Anders beim Pfeifferschen, da kann jeder Tag anders sein, kannst du gar nichts planen», erzählte Rast Mitte August in Zermatt im Interview mit Keystone-SDA.
In der Reha nach der Knieverletzung wurde die Unterwalliserin von Florian Lorimier begleitet. Der ehemalige Konditionstrainer von Didier Cuche schaffte es, Rast soviel Motivation zu vermitteln, «dass ich meine Grenzen verschieben konnte. Ich danke ihm für die vielen Stunden des Leidens.» Die körperliche und auch die Ski-Form waren so gut, dass die Junioren-Weltmeisterin von 2017 im Slalom Mitte Oktober ihr Weltcup-Comeback geben konnte.
Doch sie sollte als 33. in Sölden den Einzug in den Final der Top 30 verpassen, ähnlich knapp wie später auch in Levi und Courchevel (jeweils 35.) sowie zuletzt in Semmering und Zagreb (jeweils 33.). «Diese fehlenden Hundertstel waren frustrierend, denn ich fühlte mich wirklich gut», so Rast.
Die Wiedergeburt
In Flachau, auf einem Hang, den sie zuvor nicht kannte, wendete sich endlich das Blatt. Mit Startnummer 57 preschte Rast im Schneetreiben und unter Flutlicht in den 14. Zwischenrang vor. In der kurzen Pause zwischen den zwei Läufen blieb Rast nicht viel Zeit zum Nachdenken. Eine Kleinigkeit essen, dann sofort wieder hinauf zum Start und den zweiten Lauf besichtigen. Obwohl euphorisiert vom Exploit zuvor, gelang es ihr dank Routinetätigkeiten, sich wieder zu sammeln.
Rast übernahm im Final vor Meillard mit grossem Vorsprung die Spitze. Konkurrentin um Konkurrentin scheiterte danach an ihrer Marke. Die Zeit in der Leader-Box empfand sie – logischerweise – als «sehr cool. Ich durfte zum ersten Mal überhaupt da sitzen.» Hoffentlich sei das ein «Gefühl, das ich auch in Zukunft erleben darf».
Auch am Tag danach war die Freude über ihre Leistung noch immer riesig. «Das ist ein riesiger Schritt vorwärts», sagte Rast gegenüber dem Westschweizer Ski-Portal SkiActu. Als Belohnung darf sie im nächsten Slalom – der erst an der WM in Cortina folgt – mit einer Nummer innerhalb der Top 30 an den Start gehen. «Das ändert das Leben», ist Rast überzeugt. «Ich habe das Gefühl, dass meine Karriere jetzt beginnt.»
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