Ösi-Journalist im Interview mit blue News «Peter Müller habe ich nicht ausstehen können»

Dominik Müller

3.2.2025

In dieser Saison ein gewohntes Bild: Egal, wie gut die Österreicher waren, ein Schweizer war meist besser. Im Bild: Marco Odermatt jubelt im Dezember beim Riesenslalom in Val-d'Isère vor Patrick Feurstein und Stefan Brennsteiner.
In dieser Saison ein gewohntes Bild: Egal, wie gut die Österreicher waren, ein Schweizer war meist besser. Im Bild: Marco Odermatt jubelt im Dezember beim Riesenslalom in Val-d'Isère vor Patrick Feurstein und Stefan Brennsteiner.
Keystone

Die stolze Ski-Nation Österreich steckt in der Krise. Christoph Geiler, österreichischer Sportjournalist, sucht im Gespräch im blue News nach Erklärungsansätzen und wagt einen Blick in die Kristallkugel.

Dominik Müller

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Vom 4. bis 16. Februar findet in Saalbach die Ski-WM statt.
  • Vor dem Auftaktrennen am Dienstag scheinen die Fronten klar abgesteckt: Die Schweiz und Norwegen stellen die meisten Medaillenkandidaten, Österreich muss vor Heimpublikum auf die Kehrtwende hoffen.
  • Der österreichische Sportjournalist Christoph Geiler wagt einen Ausblick auf die anstehende Medaillenjagd und beleuchtet die sportliche Rivalität zwischen der Schweiz und Österreich.

Christoph Geiler, am Dienstag beginnt in Saalbach mit dem Team-Event die Ski-Weltmeisterschaft. Was überwiegt bei Ihnen: Vorfreude oder Bammel?

Teils, teils. Grundsätzlich ist das Begleiten einer Heim-WM für einen österreichischen Journalisten nicht wirklich eine angenehme Arbeit. Das ist Stress und Hektik pur. Wir überhöhen den Skisport gerne bei uns. Da sind wir nicht viel anders als ihr Schweizer.

Deswegen ist das natürlich eine kollektive Hysterie. Man merkt jetzt auch, wie sehr der Skisport immer noch polarisiert, emotionalisiert und die Leute bewegt – trotz dieser langen Misserfolgsserie, gerade bei den Herren. Es ist das Gesprächsthema Nummer eins. Es überwiegt die Frage: Sind wir wirklich so schlecht oder können wir jetzt positiv überraschen?

Überwiegen die kritischen oder die optimistischen Töne?

Es gibt hier viele Kritiker, die wünschen sich, dass die Österreicher eine Ohrfeige kriegen. Und natürlich ist umgekehrt die Sehnsucht nach Erfolgen auch da. Denn beim ÖSV halten sich bis anhin Aufwand und Ertrag überhaupt nicht die Waage.

Zur Person
x
zVg

Christoph Geiler gehört seit 1995 der Sportredaktion der österreichischen Tageszeitung «Kurier» an. Als Tiroler begleitet er insbesondere Wintersportthemen eng.

An einer Grossveranstaltung wie an einer WM gelten eigene Gesetze. Wie viel Mut schöpfen Sie aus dieser Floskel?

Im Moment habe ich das Gefühl, man schöpft aus allem, was irgendwie Hoffnung machen kann. Etwa, dass die Favoriten straucheln und deswegen die Schweizer nicht gewinnen. Man setzt darauf, dass gerade die Grossereignisse schon sehr viele Überraschungssiegerinnen und -sieger hervorgebracht haben. Einer davon ist beispielsweise der Schweizer Verbandspräsident, Urs Lehmann, der ausser seinem WM-Abfahrtssieg 1993 nicht viel gewonnen hat.

Auf solche Geschichten hofft man gerade beim ÖSV. Und darauf, dass der Druck bei den Schweizern zu gross wird. Da erwartet jeder Wunderdinge, gerade in den Speed-Rennen der Herren mit Marco Odermatt. Die Österreicher können eigentlich nur positiv überraschen. So schlimm wie 1984 bei Olympia in Sarajevo, wo nur eine Bronzemedaille herauskam, wird es hoffentlich nicht werden.

Wenn Sie die Schweizer Speedfahrer schon ansprechen: Nebst Odermatt prangert auch auf dem Helm von Franjo von Allmen das Logo von Red Bull. Zumindest ein Teil des Schweizer Erfolgs ist also «Made in Austria» ...

Ja, das kann man wohl sagen. Aber es ist jetzt noch nicht so weit, dass wir uns das auf die Fahnen heften und überall nach Erfolgserlebnissen suchen müssen. Im Stil von: Der fährt vielleicht einen österreichischen Ski oder der war einmal in Österreich im Urlaub und ist deswegen ein halber Österreicher. Nein, so weit gehen wir bitte nicht, das wäre dann wirklich erbärmlich. Diesen Stolz lassen wir uns nicht nehmen.

Wobei es schon so scheint, dass die Rivalität zwischen Österreich und der Schweiz heute freundlicher ausgelebt wird als in früheren Jahren.

Ich bin in den 80er-Jahren aufgewachsen und damals waren diese Schweizer Skifahrer für mich als Kind ziemlich unsympathisch. Peter Müller habe ich beispielsweise nicht ausstehen können beim Zuschauen vor dem TV. Und jetzt ist ja das Problem, dass gerade Odermatt und von Allmen wirklich hochsympathische Typen und eine Belebung für den Skisport sind. Denen kann man ja nicht einmal böse sein. Im Moment hat man das Gefühl, das sind die besseren Österreicher. Und sie geniessen auch in Österreich hohe Beliebtheitswerte, das muss man ehrlich zugestehen.

Deswegen ist diese Rivalität nicht mehr so ausgeprägt, wie sie vielleicht einmal war. Im Moment ist es leider so, dass die Nationalfahnen Bände sprechen: Die Schweiz hat ein weisses Plus auf rotem Hintergrund – und wir ein weisses Minus auf rotem Hintergrund.

Marco Odermatt und Franjo von Allmen wollen auch in Saalbach die Korken knallen lassen.
Marco Odermatt und Franjo von Allmen wollen auch in Saalbach die Korken knallen lassen.
Keystone

Soll nun an dieser WM die grosse Kurswende erfolgen?

Man hofft natürlich, dass die WM ein positives Ende nimmt. Und da ist der Teamwettbewerb zum Auftakt schon mitentscheidend. Der ist in Österreich lange belächelt und stiefmütterlich behandelt worden. Nun hat sich das ÖSV-Team akribisch auf dieses Rennen vorbereitet, weil sie wissen, es kann auch eine Initialzündung sein. Wenn man am Eröffnungstag eine Medaille gewinnt, würde das extrem viel Rückenwind geben.

Umgekehrt ist es so, dass man sich nicht blenden lassen darf. Also selbst, wenn sieben oder acht Medaillen herausspringen, was das erklärte Ziel ist, stehen dem ÖSV schwierige Zeiten bevor.

Inwiefern?

Bei den Herren befindet sich die Speed-Mannschaft in einem Generationenwechsel. Im Slalom sind die besten Läufer wie Manuel Feller schon über 30. Es gibt keine jungen Talente. Der jüngste österreichische Weltcup-Sieger ist Marco Schwarz mit Jahrgang 1995. Die Schweiz hat mit Monney und von Allmen Spitzenfahrer mit 2000er-Jahrgängen, die gibt es in Österreich nicht. Dieses Problem wird auch nach dieser WM bleiben. Das ist eine grosse Herausforderung, womöglich sogar ähnlich, wie sie die Schweiz vor 15 Jahren erlebte, als man jeden Stein umgedreht und damit den Grundstein gelegt hat für diese neue Generation, die jetzt da ist.

Wenn du einen Fahrer ins aktuelle ÖSV-Team reinzaubern könntest: Lieber Marcel Hirscher zu seinen besten Zeiten oder Marco Odermatt?

Wenn ich die freie Wahl hätte, würde ich Hermann Maier nehmen. Das klingt jetzt hart, aber Marcel Hirscher ist den Österreichern nie so unter die Haut gegangen wie Hermann Maier. Allein mit seinem Fahrstil, mit seiner Lebensgeschichte als Maurer, der spät berufen war, mit seinem Sturz, mit seinem Motorradunfall, nach denen er immer wieder aufgestanden ist.

Maiers Geschichte spiegelt auch den Skisport wider, auch da gibt es immer wieder Talsohlen. Die hat aber ein Marcel Hirscher ausser bei seinem Comeback nie durchleben müssen während seiner Karriere. Deswegen glaube ich, dass ein Typ wie Hermann Maier dem ÖSV besser zu Gesicht stehen würde.

Und zum Schluss noch der obligate Blick in die Kristallkugel. Wie sieht der Medaillenspiegel am Ende der WM aus?

Ich glaube, dass die Schweiz bei den Frauen gar nicht so viele Medaillen gewinnt. Trotzdem sehe ich die Schweiz auf Rang eins, Norwegen auf zwei und Österreich auf drei. Bei uns wäre man wohl inzwischen mit sechs Medaillen schon zufrieden. Eine Goldmedaille wäre eigentlich ein Wunder, das muss man ehrlicherweise sagen. Mit nur zwei Saisonsiegen, beide von Cornelia Hütter und beide schon am Anfang der Saison, kann man keinen Medaillenregen erwarten.


Mehr Videos zum Thema

Vincent Kriechmayr: «Meine Rituale vor dem Rennen sind natürlich geheim»

Vincent Kriechmayr: «Meine Rituale vor dem Rennen sind natürlich geheim»

Österreichs Speed-Spezialist Vincent Kriechmayr stellt sich den Fragen von blue Sport.

14.01.2025

Silvan Zurbriggen: «Die Material-Abstimmung ist sehr aggressiv»

Silvan Zurbriggen: «Die Material-Abstimmung ist sehr aggressiv»

Ex-Profi Silvan Zurbriggen erklärt, warum es im Ski-Weltcup so viele Verletzte gibt und liefert Vorschläge, was man dagegen tun könnte.

28.01.2025