Didier Cuche im Interview «Marco Odermatt könnte sein eigener Gegner werden»

Clara Francey, Adelboden

9.1.2024

Didier Cuche bei seinem Riesenslalom-Sieg in Adelboden im Jahr 2002.
Didier Cuche bei seinem Riesenslalom-Sieg in Adelboden im Jahr 2002.
KEYSTONE

Am Rande des Ski-Weltcups in Adelboden sprach blue News mit Didier Cuche. Der Romand spricht über den Rücktritt von Lucas Braathen, die Kritik am FIS-Kalender und die Dominanz von Marco Odermatt.

Clara Francey, Adelboden

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die Schweizer Ski-Legende Didier Cuche (21 Weltcupsiege) spricht mit blue News über den Ski-Weltcup.
  • Den Rücktritt von Lucas Braathen bedauert Cuche – und er glaubt, dass nicht nur der Vertragsstreit Ursache war für die Entscheidung des Norwegers. 
  • Einen Gegner für Marco Odermatt im Weltcup sieht Cuche nicht. Der Schweizer könne sich eigentlich nur selbst stoppen.

Didier Cuche, mehr als zehn Jahre nach Ihrem Rücktritt, verfolgen Sie den Skizirkus immer noch mit grosser Aufmerksamkeit?
Didier Cuche:
 Ja, ich liebe es, sei es im Fernsehen oder vor Ort. Diesen Januar werde ich mir die Rennen in Adelboden, Wengen und Kitzbühel ansehen.

Trotz des Rücktrittes von Beat Feuz vor einem Jahr?
Auch wenn ich die Leistungen unserer Schweizer Athleten mit noch genauerem Blick verfolge, sind es die Rennen als Ganzes, die mich faszinieren. Hinter die Kulissen geschaut zu haben, die kleinen Details, die es braucht, um an die Spitze zu gelangen – das macht die Sache noch interessanter.

Die Weltcup-Saison begann mit der schockierenden Ankündigung von Lucas Braathen, sich im Alter von nur 23 Jahren aufgrund eines Konflikts mit seinem Verband aus dem Wettkampfgeschehen zurückzuziehen. Haben Sie seine Entscheidung verstanden?
Ehrlich gesagt, nein. Ich habe das Gefühl, dass da noch etwas auftauchen wird. Ich weiss nicht was, ich bin ratlos. Ausserdem habe ich ihn letztes Jahr in Adelboden getroffen. Damals war ich von seiner Leistung und dem sehr liebenswerten Charakter beeindruckt. Solche Charaktere braucht man, um dem Weltcup ein wenig Würze zu verleihen. Ich habe das Gefühl, dass Persönlichkeiten wie Lucas dem Ski-Weltcup guttun. Ich habe wirklich das Gefühl, dass es noch etwas anderes als Vertragsgeschichten gibt, die zu seiner Entscheidung geführt haben.

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Das Wetter spielte der FIS in diesem Herbst mehr denn je einen Streich. Die kaskadenartigen Absagen zu Beginn der Saison haben den ohnehin schon vollen Kalender noch weiter verdichtet. Können Sie die Kritik einiger Akteure – hauptsächlich Allrounder wie Marco Odermatt – an diesem überfüllten Kalender nachvollziehen?
Fünf Rennen in fünf Tagen zu fahren, kostet sicher mehr Energie, ist intensiver, physisch und vielleicht auch psychisch schwieriger. Aber letztendlich sind die Athleten, die drei oder mehr Disziplinen kumulieren, nicht sehr zahlreich. Es sind vielleicht vier oder fünf. Und die Athleten, die nur in einer Disziplin antreten, sind froh, wenn die Rennen wieder aufgenommen werden.

In gewisser Weise verstehe ich die Kritik, aber in anderer Hinsicht muss man auch an den Skifahrer denken, der nur Abfahrt fährt und dem nur noch sieben Rennen im Jahr bleiben, wenn man ihm zwei oder drei wegnimmt. Ich selbst war nie gegen die Wiederholung von Rennen, die abgesagt wurden, denn schliesslich war das mein Beruf, meine Leidenschaft und mein Lebensunterhalt.

Da wir gerade von Marco Odermatt sprechen: Das Duell der «Marcos» im Rennen um die grosse Kristallkugel versprach ein spannendes zu werden, das mit der Verletzung von Marco Schwarz zu Ende ging. Können Sie sich jemanden vorstellen, der «Odi» Probleme bereiten könnte, ausser ihm selbst?
Ich sehe niemanden, der mathematisch in der Lage wäre, Marco Odermatt einzuholen. Vielleicht könnte er sein eigener Gegner werden, vor allem wegen des wachsenden Drucks, seinen ersten Abfahrtssieg im Weltcup zu holen. Heute wird er von allen Seiten darauf angesprochen. Diese Woche wird er zu Hause sein, ich kann mir vorstellen, dass er den Sieg am Lauberhorn im Kopf hat. Ich würde sagen, dass dieses Spiel ein gewisses Risiko mit sich bringen kann. Aber ich habe den Eindruck, dass Marco sehr gut mit dem Druck und dem Stress umgeht. Also hoffe ich, dass er so weitermacht, dass er nicht die Geduld verliert und abwartet, dass es von selbst passiert. Denn wenn man auf diesem Niveau fährt, passiert es ohnehin.

Es besteht kein Zweifel, dass er bald eine Abfahrt gewinnen wird, die Frage ist nur, welche. Die Abfahrt liegt ihm, das hat er vor allem letzte Saison am Lauberhorn bewiesen (Anm. d. Red.: wo er den zweiten Platz belegte), wo man sowohl körperlich als auch in Bezug auf das Gleiten, die Technik und den Mut gut sein muss. Er kann überall schnell fahren, auch in Kitzbühel, wo er im letzten Jahr einen Schreck bekommen hat (Video unten). Es liegt an ihm, seine eigene Grenze zu finden, ohne sie zu überschreiten.

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Wie sieht das Leben von Didier Cuche heute aus?

  • «Es unterscheidet sich sehr von dem Leben, das ich hatte, als ich noch aktiv war. Ich bin heute Familienvater und habe zwei Kinder, der Alltag einer Familie verändert also vieles. Ich habe natürlich weiterhin Verbindungen zum Skisport. Insbesondere arbeite ich immer noch mit Partnern wie Head und Audi zusammen.»
  • «Ausserdem bin ich Präsident des ‹Giron Jurassien›. Das ermöglicht mir, eine Verbindung zur Jugend in der Region aufrechtzuerhalten. Unser Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass die Jugendlichen aus dem Jurabogen weiter kommen.»
  • «Und dann habe ich noch eine Tätigkeit im Stiftungsrat von ‹Passion Sports de Neige›, einer Gönnervereinigung, die Geld an die Eltern von Kindern verteilt, die im Skilehrgang sind und nicht genug Geld haben. Kinder, die in den verschiedenen Sportarten von Swiss-Ski sind, können Anträge stellen und die Dossiers werden analysiert. Ein erfülltes Leben also, aber auch ein ganz anderes als früher.»