Marco Odermatt erzählt in einem Interview, weshalb er den Klimaaktivisten im Skiweltcup kritisch gegenüber steht, welches sein schlimmster Kater war und weshalb er in Aspen in einer Luxusvilla statt einer Bruchbude wohnt.
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Marco Odermatt erzählt in einem Blick-Interview von seinem grössten Kater und wie sein Verhältnis zu anderen Top-Skifahrern ist.
- Für die Klimaaktivisten, die in Gurgl den Weltcup-Slalom gestört haben, hat er kein Verständnis: «Wir dürfen uns nicht alles gefallen lassen.»
- Odermatt gesteht im Interview zudem: «Ich weiss, dass ich ein sehr schlechter Verlierer bin.»
Marco Odermatt über …
… Lust und Frust in Adelboden
Wenn man als Schweizer in Adelboden vor diesen grandiosen Fans bei dieser einzigartigen Stimmung gewinnt, ist das auf jeden Fall spezieller als ein Sieg an einem andern Ort. Es ist unbeschreiblich schön, wenn man die Begeisterung von all den Zuschauern spüren darf.
2018 hat mich brutal angeschissen, weil ich als 31. die Qualifikation für den zweiten Lauf haarscharf verpasste. Ich habe den zweiten Lauf damals mit meinen Fans auf der Tribüne geschaut. Dasselbe habe ich ein Jahr später getan, nachdem ich mich ein paar Wochen zuvor in Alta Badia am Meniskus verletzt habe. Damals war es so, dass ich noch jedes Mitglied von meinem Fanklub persönlich gekannt habe. Das waren alles Leute, mit denen ich auch im privaten Rahmen gerne eine Sportübertragung angeschaut habe.
… seinen heftigsten Kater
Den hatte ich 2018 anlässlich vom Weltcup-Final in Are. Ich durfte dort nur starten, weil ich in dieser Saison mehrfacher Junioren-Weltmeister geworden bin. Zu meiner eigenen Überraschung bin ich dort in der Abfahrt und im Super-G in die Top 15 gefahren und habe somit meine ersten Speed-Weltcuppunkte geholt. Logisch, dass ich diese Premiere bei der legendären Audi-Party kräftig gefeiert habe. Ich war damals in einem Appartement mit Daniel Yule einquartiert, und der hat nach meiner Heimkehr von dieser Party kaum noch ein Auge zugebracht, weil ich öfters auf die Toilette musste. Zwei Tage später habe ich mich trotzdem auch im Riesenslalom in den Top 15 klassiert.
… das Trio Marco Schwarz, Aleksander Aamodt Kilde und Henrik Kristoffersen und mit wem von ihnen er am liebsten anstossen wurde.
Mit Kilde. Von diesem Trio hatte ich mit Aleksander bis jetzt am meisten zu tun, zu ihm habe ich einige Sympathien.
… sein Verhältnis zu Kristoffersen
Privat habe ich Henrik bis jetzt nicht wirklich kennengelernt. Und so wie er sich als Rennfahrer verhält, bekommt er von mir sicher nicht die Note 10.
… die Klimaaktivisten in Gurgl
Man kann sich darüber streiten, ob die Androhung von Gewalt in dieser Situation das Richtige war (von Kristoffersen, die Red.) Aber ich habe es grundsätzlich gut gefunden, dass er ein Zeichen gegen die Aktion dieser Gruppierung gesetzt hat. Wir dürfen uns nicht alles gefallen lassen. Fakt ist: Wir Skifahrer sind direkt vom Klimawandel betroffen, es wird für uns immer schwieriger, im Sommer auf den Gletschern ein ordentliches Schnee-Training zu absolvieren. Aber es bringt unsere Umwelt rein gar nichts, wenn ein paar Joggel mit oranger Farbe den Zielraum von einem Weltcuprennen stürmen und dadurch den Wettkampf auf unfaire Weise beeinflussen, weil nach dieser Unterbrechung waren die Bedingungen für die restlichen Starter schlechter.
… die Klima-Petition, welche Österreichs Speed-Spezialist Julian Schütter an die FIS übermittelt hat, die er nicht unterschrieben hat
Wenn ich meine Unterschrift auf dieses Papier gesetzt hätte, dann hätte ich mich zu einem gewissen Punkt unglaubwürdig gemacht, weil ich als Skirennfahrer den Forderungen in diesem Brief nicht zu 100 Prozent gerecht werden kann. Es ist ganz klar: Jede Branche und jeder Mensch sollte sich bewusst sein, dass er sein bestmögliches für die Umwelt tun muss. Aber der Ski-Zirkus stellt in dieser Angelegenheit definitiv nicht das grösste Problem dar. Alleine in den USA werden im Durchschnitt pro Tag 50'000 Flüge durchgeführt. Der Alpine-Weltcup fliegt pro Saison zweimal nach Übersee. Und weil unsere Serie Weltcup und nicht Europacup heisst, ist es ja auch wichtig, dass wir auf anderen Kontinenten Rennen bestreiten.
… die zwei Aufenthalte der Weltcup-Fahrer in Nordamerika
Ich sehe diesbezüglich wirklich kein grosses Problem. Im November fliegen wir für die Speed-Rennen nach Kanada und USA, im Februar für die Riesen- und Slaloms in Aspen und Palisades Tahoe. Dabei gibt es vielleicht zehn Athleten, welche wie ich die Technik- und die Speed-Events bestreiten. Der grösste Teil der Skirennfahrer fliegt nur einmal im Jahr nach Nordamerika. Das ist sehr wenig, wenn man das mit anderen Weltsportarten wie Fussball oder der Formel 1 vergleicht. CEOs von Grosskonzernen absolvieren jede Woche drei bis vier Flüge.
… seine soziale Ader
Ich selber würde mich nie als besonders sozial bezeichnen. Selbstverständlich frage ich in meinem Umfeld immer nach, wer von mir Bekleidung oder anderes Ski-Material benötigt. Und es ist mir wichtig, dass es im Ski-Zirkus auch meinen Trainingskollegen Gino Caviezel und Justin Murisier richtig gut geht. Aber als besonders sozial sehe ich mich deshalb nicht.
… den «Sauhund», der im überragenden Ski-Champion Odermatt steckt
Ich weiss, dass ich ein sehr schlechter Verlierer bin. Aber weil ich in den letzten Jahren fast ausschliesslich Erfolge gefeiert habe, weiss ich nicht, wie ich reagieren würde, wenn mir in den nächsten fünf Rennen immer ein Teamkollege den Rang ablaufen würde. Justin und Gino sind auch diesbezüglich sensationell, die feiern auch dann mit mir mit, wenn es ihnen im Rennen nicht so gut gelaufen ist.
… das mieseste Quartier im Weltcup
Ganz weit unten war das Appartement, das wir im letzten Winter nach unserer Ankunft in Aspen bezogen haben – das war wirklich eine Abbruchbude. Dank einer zufälligen Begegnung haben wir ein paar Tage später in Aspen aber auch das luxuriöseste Quartier in unserer Weltcup-Laufbahn bewohnt.
Wir sind in Aspen einem Mann begegnet, der von einem Kollegen erzählt hat, der am Sonnenhang garantiert noch ein paar Zimmer für uns frei hätte. Er sagte uns noch, dass dieser Kollege wie wir ein Schweizer sei. Als Justin, Gino und ich am Tag danach im Haus dieses Schweizers eingezogen sind, hat uns schier der Schlag getroffen. Es war eine Villa – mit drei Swimmingpools, zwei Bars, Kino und einem Fitnessraum. Wir drei haben dann drei Tage allein in diesem Traumhaus gewohnt. Dann ist der Besitzer zurückgekehrt. Und beim Eigentümer von dieser Traum-Villa handelt es sich um Gunnar Sachs, dem Sohn vom legendären Gunter Sachs, der in Gstaad und St. Moritz gelebt hat. Gunnar hat zwei Kinder, die ebenfalls Skirennen fahren. Ihnen konnten wir mit Rennanzügen und Startnummern eine Freude machen. Es ist geplant, dass wir heuer während der Aspen-Rennen erneut bei Gunnar Sachs residieren dürfen.