St. Gallen empfängt im letzten Spiel vor der Winterpause Zürich zum Spitzenspiel der 18. Super-League-Runde. Dabei können die Ostschweizer Rang 2 erklimmen und einen 20 Jahre alten Rekord egalisieren.
Acht Spiele, acht Siege. Der FC St. Gallen hat vor heimischem Publikum in dieser Saison eine makellose Bilanz und könnte diese am Samstag (18.00 Uhr) gegen den zweitplatzierten FC Zürich ausbauen. Gewinnen die Ostschweizer, würden sie den 20 Jahre alten Heim-Startrekord des FC Basel einstellen.
Christian Witzig, Eigengewächs und Mittelfeldspieler des FC St. Gallen, hat die Gründe für die Heimstärke seiner Mannschaft schnell gefunden: «Wir haben eine unglaubliche Fankultur in St. Gallen. Unsere Spiele sind fast immer ausverkauft, die Stimmung im engen Stadion ist die beste der ganzen Liga.» Dieser Erklärungsansatz leuchtet zwar ein, ist aber zu kurz gegriffen. Wäre die Heimstärke nur mit der Stimmung zu rechtfertigen, wäre der FC Basel mit Sicherheit nicht auf dem vorletzten Platz anzutreffen.
Angriffsfussball à la Zeidler
Die Heimspiele des FC St. Gallen ähneln sich im Muster: Der Gegner wird früh unter Druck gesetzt, bei Ballgewinn suchen die Spieler den direkten Weg zum Tor, es wird mit viel Leidenschaft und Physis gespielt. Den bedingungslosen Angriffsfussball hat Peter Zeidler seiner Mannschaft eingeimpft. Achtung, fertig, los. In den letzten vier Heimspielen erzielte St. Gallen fünf Tore in den ersten 20 Minuten. «Sobald wir rauskommen, peitschen uns die Fans nach vorne», sagt Witzig.
So deutlich der FC St. Gallen die letzten Heimspiele für sich entscheiden konnte, so eng waren die Spiele zu Beginn der Saison. Gleich viermal in Serie gewannen die Ostschweizer zum Start mit 2:1. Sie drehten dabei nicht selten einen Rückstand in der zweiten Halbzeit, erzielten späte Siegestore, was für die Moral der Mannschaft spricht.
Zuhause hui, auswärts pfui
Was hingegen Fragen aufwirft, ist die Punkteausbeute auf fremden Plätzen. Die St. Galler holten erst einen Sieg aus neun Spielen. Man stelle sich vor, sie würden auch abseits der Ostschweiz regelmässig Punkte einfahren – St. Gallen wäre ein Meisterkandidat.
«Klar ärgert es uns, dass wir auswärts nicht so performen wie vor Heimpublikum», sagt Witzig. Eine Erklärung für die schwankenden Leistungen seiner Mannschaft hat er nicht. «Das Spiel bleibt das gleiche, ob zuhause oder auswärts. Auch an der Einstellung ändert sich nichts. Wir gehen immer mit dem Ziel ins Spiel zu gewinnen.» Nur klappt dies in der Fremde bedeutend schlechter als im heimischen Stadion.
Ein möglicher Erklärungsansatz liegt bei genauerer Betrachtung im Spielplan. Die St. Galler traten vor heimischem Publikum erst gegen zwei Teams aus der oberen Tabellenhälfte an. Auswärts hingegen trafen sie schon auf vier Top-Teams, wobei in Zürich und Genf je ein Unentschieden heraussprang. Auffallend sind die Niederlagen gegen Teams aus der unteren Tabellenregion, etwa das 0:1 in Yverdon, nachdem man nur wenige Tage zuvor Meister YB vor heimischem Publikum geschlagen hatte. Oder das blamable Cup-Aus gegen das drittklassige Delémont.
Huggel: «Ein totales Rätsel»
Auch Benjamin Huggel, langjähriger Profi beim FC Basel, ehemaliger Nationalspieler und heute Experte beim Schweizer Fernsehen, tut sich mit der Analyse des FC St. Gallen schwer. «Die Heimstärke hat sicherlich mit der tollen Stimmung im Stadion zu tun. Warum sie die PS auswärts aber nicht auf den Boden bringen, ist mir ein totales Rätsel.»
Huggel gehörte jener Mannschaft an, die in der Saison 2003/04 sowohl den Startrekord mit 13 Siegen in Serie als auch den Heim-Start-Rekord mit neun Siegen in Folge aufstellte. «Ich kann mich noch gut an diese Saison erinnern, so auch an ein Heimspiel gegen St. Gallen. Zur Pause stand es 0:0 – und die Zuschauer haben uns mit einem Pfeifkonzert in die Kabine geschickt. Das zeigt, wie hoch die Erwartungen und Ansprüche bei uns damals waren.»
Diesen Ansprüchen wurde Basel vor 20 Jahren in den allermeisten Fällen gerecht. Im Gegensatz zur heutigen St. Galler Mannschaft auch auswärts. Er habe gerne in der Fremde gespielt, Motivation aus den Pfiffen der gegnerischen Fans gezogen, sagt Huggel. «Wir gegen den Rest der Welt, das fand ich cool.»
Huggel gibt jedoch zu, dass es angenehmere Aufgaben gegeben habe, als in St. Gallen auflaufen zu müssen. «Im Espenmoos war es schon extrem. Wir mussten bei der Ankunft durch die Leute laufen, beim Gang aufs Spielfeld und in die Kabine wurden wir beschimpft und mit Bier begossen. Die Fans in St. Gallen sind sehr heissblütig und leidenschaftlich. Sie machen es jedem Auswärtsteam schwer.»
sda / mar