Carlos Alcaraz schafft das fast Unmögliche. Er gewinnt den Final in Wimbledon in fünf grandiosen Sätzen und stürzt Novak Djokovic nach sechs Jahren der Ungeschlagenheit vom Thron – im Alter von nur gerade 20 Jahren.
Was kann dieser Carlos Alcaraz noch alles erreichen? Mit 20 Jahren ist er besser als Roger Federer, Rafael Nadal oder Novak Djokovic im gleichen Alter. Sein riesiges Potenzial zeigte er bereits vor zehn Monaten, als er am US Open gleich seinen ersten Grand-Slam-Final gewann und die Nummer 1 der Welt wurde. Am Sonntag lieferte er aber sein erstes Meisterstück ab. Er werden wohl viele weitere folgen.
Er bezwang in Wimbledon den Mann, der im Rasenmekka seit sechs Jahren ungeschlagen war. Der seit zehn Jahren auf dem Centre Court nicht mehr verloren hatte. Den besten Spieler der Geschichte mit 23 Grand-Slam-Titeln. Das «Monster», das ihm vor gut einem Monat im Halbfinal des French Open die Grenzen brutal aufgezeigte hatte. Er tat dies auf einem Belag, auf dem er erst sein viertes Turnier spielte. Und er schaffte dies in einem grandiosen Final – dem drittlängsten der Wimbledon-Geschichte – in 4:42 Minuten mit einem epischen 1:6, 7:6 (8:6), 6:1, 3:6, 6:4-Sieg.
Alcaraz am Ende cool geblieben
Djokovic verpasste seinen fünften Wimbledonsieg in Folge und auch, mit seinem achten Titel zum Rekordhalter Roger Federer aufzuschliessen. Der sechzehn Jahre ältere Serbe zeigte sich als fairer Verlierer – und tief beeindruckt. «Ich dachte, du machst mir auf Sand und vielleicht auf Hartplatz Probleme», richtete sich Djokovic bei der Siegerehrung an seinen Bezwinger. «Aber auf Rasen? Echt jetzt?»
Dabei hatte Alcaraz äusserst nervös begonnen. Ab dem zweiten Satz aber lieferte er sich mit dem vermeintlich übermächtigen Gegner unzählige spektakuläre Ballwechsel. Der junge Spanier zeigte sich in Sachen Laufarbeit, Intensität und Nervenstärke ebenbürtig, spielte aber aggressiver und variabler. Bis zum Ende. Im letzten Game, als er zum grössten Sieg seiner Karriere aufschlug, brillierte er, als wäre das das Einfachste der Welt: ein Stoppball, ein Lob, ein Volley-Stopp, ein Aufschlagwinner, ein Angriff ans Netz, den Djokovic nicht mehr kontern konnte – Alcaraz holte sich den Sieg, der Serbe schenkte ihm nichts.
Stolz auf Arbeit, nicht auf den Sieg
«Es ist toll zu gewinnen, aber ich wäre auch stolz gewesen, wenn ich verloren hätte», versicherte der 20-Jährige aus Murcia, der dank des Erfolges vor Djokovic die Nummer 1 bleibt. «Stolz auf die Arbeit, die mein Team und ich jeden Tag leisten. Denn ich habe heute gegen eine Legende unseres Sports gespielt.»
Für Alcaraz selber scheint es keine Limiten zu geben, seine Fortschritte sind atemberaubend schnell. Er hat bereits das komplettere Spiel, als es sein Idol Nadal je hatte.
«Ich habe mich in den Rasen verliebt.»
über seine Liebe zum Rasen
Lange sah es so aus, als ob zumindest die Gegenwart noch Djokovic gehören würde. Er hatte beim Australian Open gesiegt, in Paris mit seinem 23. Major-Titel den Grand-Slam-Rekord bei den Männern an sich gerissen und schien auf bestem Weg, im gleichen Kalenderjahr alle vier grossen Turniere zu gewinnen – etwas, das seit Rod Laver 1969 kein Mann mehr geschafft hatte. «Als ich angefangen habe, Tennis zu spielen, habe ich dir zugeschaut», sagte Alcaraz zum Serben.
Am Sonntag im Südwesten Londons könnte es eine Art Wachablösung gegeben haben. Noch ist es aber zu früh, den 36-jährigen Djokovic abzuschreiben. Er wird weitere Titel sammeln wollen, und die Tenniswelt kann sich vielleicht auf weitere hochklassige Duelle freuen.
SDA/SB10