Wenige Augenblicke, nachdem Novak Djokovic einer Linienrichterin einen Ball an den Hals pfeffert, schreiten zwei Männer aufs Spielfeld und teilen dem Serben mit, dass das Turnier für ihn zu Ende ist. Einer von ihnen ist der Schweizer Supervisor Andreas Egli.
André «Andy» Egli hat 80 Fussball-Länderspiele für die Schweiz auf dem Buckel – was hat er also mit Tennis am Hut? Rein gar nichts. Er heisst nur (fast) gleich wie der Mann, der am Sonntagabend dafür sorgt, dass Novak Djokovic bereits nach dem Achtelfinal seine sieben Sachen packen muss. Nicht, weil ein Spieler besser war als die Weltnummer 1, sondern weil Djokovic nach einer Disziplinlosigkeit disqualifiziert wird.
Der 56-jährige Schweizer ist nur Insidern bekannt. Weil er nur selten im Rampenlicht steht – nur dann, wenn es brenzlig wird. Wenn auf dem Platz etwas passiert ist, das der Stuhlschiedsrichter nicht entscheiden kann oder nicht entscheiden will. Als Supervisor (zu Deutsch: Aufseher) hat Andreas Egli die Hoheit über alle Entscheide. Und so muss er – gemeinsam mit Turnier-Schiedsrichter Sören Friemel – Djokovic am Sonntag klarmachen, dass er aus den US Open geworfen wird.
Die Regel lässt keine andere Entscheidung zu: Verletzt ein Spieler einen Offiziellen, einen Gegner, einen Zuschauer oder sonst einen Menschen auf dem Turniergelände, wird er ausgeschlossen – Absicht hin oder her. Hätte Egli Gnade vor Recht walten lassen, hätte er sich den Vorwurf gefallen lassen müssen, der Weltnummer 1 einen Star-Bonus erteilt zu haben.
Djokovic selbst schlug den Referees sogar noch eine mildere Strafe vor. «Du kannst mich mit einem Game bestrafen. Oder mit einem Satz. Es gibt viele Möglichkeiten», sagte er zu Friemel und argumentierte, dass es der Linienrichterin ja wieder gut gehe und sie nicht ins Spital müsse.
Doch Egli und Friemel handeln strikt. Und richtig. Auch wenn das viele Djokovic-Fans nicht wahrhaben wollen. In den sozialen Medien wird dem Schweizer Parteilichkeit unterstellt. Er habe verhindern wollen, dass Djokovic mit seinem 18. Grand-Slam-Titel näher an Roger Federers Rekord von 20 Siegen heranrückt.
Und auch serbische Medien wittern eine Verschwörung. «Roger Federer wäre nicht disqualifiziert worden. Dies ist der Beweis, dass Djokovic nicht gleich behandelt wird. Der Schweizer hat 2009 in Melbourne ein Kind getroffen, und alle haben gelacht», schreibt der «Kurir». Die Zeitung «Informer» titelt: «Eine schreckliche Ungerechtigkeit».
Friemel stellt danach in einer virtuellen Medienrunde klar, dass keine andere Entscheidung hätte getroffen werden können. «Einen Spieler bei einem Grand-Slam-Turnier auszuschliessen ist eine wichtige und sehr schwierige Entscheidung», erklärt der Turnier-Schiedsrichter. «Es kommt nicht drauf an, ob es auf dem Center Court ist, ob es die Nummer 1 ist oder irgend ein anderer Spieler auf einem anderen Platz. Man muss einfach das Richtige tun.»
Auch wenn es keine Absicht war, hätten die Referees keine andere Wahl gehabt, so der Deutsche: «Es gibt zwei Faktoren: die Handlung und das Resultat. Und die Handlung – selbst ohne Absicht – mit dem Ergebnis, dass die Linienrichterin getroffen und verletzt wird, ist in diesem Entscheidungsprozess der wesentliche Faktor.»