Zwischenbilanz Der neue «Piqué-Cup» hat gleich mehrere Schwachpunkte

Von Luca Betschart

21.11.2019

Gerard Piqués «neuer» Davis Cup steht in der Kritik – auch bei Rafael Nadal.
Gerard Piqués «neuer» Davis Cup steht in der Kritik – auch bei Rafael Nadal.
Bilder: Getty

Seit Montag ist der umgekrempelte Davis Cup in vollem Gang. Doch noch bevor die letzten Viertelfinalplätze vergeben sind, hagelt es Kritik. «Bluewin» zieht ein Zwischenfazit und deckt die Schwachpunkte auf.

Davis Cup, Laver Cup, ATP Cup, zahlreiche Exhibitionen und, und, und … Im Tennissport herrscht zuletzt so etwas wie Goldgräberstimmung – jeder will noch von der goldenen Ära mit Federer, Nadal und Djokovic profitieren. Dementsprechend gross ist der Aufschrei, als der Internationale Tennisverband (ITF) den traditionsreichen Davis Cup geradezu revolutioniert und neu ein einwöchiges Finalturnier mit 18 Nationen einführt. Es ist das nächste Kapitel im Machtkampf um Termine und Turniere.

Für René Stammbach, Präsident von Swiss Tennis, ist die kontinuierliche Anhäufung an Terminen sowie die Fülle an Wettbewerben ein grosses Ärgernis: «Wir geben als Sport ein jämmerliches Bild ab.» Tennis sei ein gutes Produkt und jeder wolle davon profitieren. «Aber wir sollten uns nicht unter uns streiten. Wir sind in Konkurrenz zum Fussball, Netflix oder den neuen Sportarten», appelliert der 63-Jährige. Nur: Unter sich ist die Tennisszene längst nicht mehr.

Piqué mahnt zur Geduld

Bestes Beispiel ist Fussballer Gerard Piqué, der zusammen mit seiner Kosmos-Gruppe hinter der Revolution des Davis Cup steht – und dabei in der Welt des Tennis viel Gegenwind erfährt, nicht zuletzt auch von Roger Federer. «Ich verstehe das», zeigt sich Barcelonas Verteidiger im Interview mit dem «Tagesanzeiger» aufgeschlossen. «Zum einen vertritt in der Tenniswelt jeder seine eigenen Interessen. Zum anderen hat der Davis Cup eine lange Tradition. Da ist es verständlich, dass viele unserem Weg noch nicht vertrauen. Jetzt müssen wir die Leute einfach davon überzeugen.»

Piqué selbst glaubt nach wie vor an sich und den eingeschlagenen Weg. «Es wird kritisiert, dass ich als Fussballer ins Tennis eingedrungen bin. Aber ich finde, es ist viel besser, wenn sich ein Sportler im Sport engagiert als ein Businessman, der nur den Profit sieht.» Er verstehe die Spieler und wisse, was sie brauchen würden.

Wieso er sich mit Aushängeschild Federer dennoch nicht findet, ist ihm schleierhaft. «Ich traf mich ein paar Mal mit seinem Agenten und hatte eigentlich das Gefühl, dass die Beziehung gut sei. Vielleicht gab es Missverständnisse», sagt er und schlägt versöhnliche Töne an: «Ich habe überhaupt nichts gegen Federer, im Gegenteil. Er ist eines meiner Idole. Aber im Tennis spielen so viele Interessen. Das macht es manchmal nicht einfach.» Trotzdem ist Piqué überzeugt: «Wenn ein Tennisspieler in den Fussball investieren würde, würde ich sofort meine Arme ausstrecken und ihm helfen.»

Neues Format offenbart mehrere Schwachpunkte

Am Montag feiert das neue Davis-Cup-Format Premiere, bereits nach dem dritten Tag ist klar: Auch Piqué, der in dieser Woche zwischen Madrid und Barcelona pendelt, könnte etwas Hilfe gut brauchen. Gleich auf mehreren Ebenen sind gewichtige Schwachstellen auszumachen – und möglichst bald auszumerzen:

1. Der Modus

Eine der vielen Neuerungen am gespielten Modus entpuppt sich als besonders problematisch: Die Einführung der Gruppenphase. Während im traditionellen Format nur das Endergebnis der Begegnung zählte und die Partien oft nur ausgetragen wurden, wenn die Begegnung noch nicht entschieden war, zählt in der Gruppenphase jedes gewonnene Game. Sprich: Auch wenn eine Begegnung nach den beiden Einzeln entschieden ist, geniesst das Doppel einen gewissen Stellenwert. Das scheint allerdings noch nicht bei allen Spielern und Nationen angekommen zu sein. So gibt Kanada beim Stand von 2:0 gegen die USA für das Doppel Forfait, verlieren dieses dadurch 0:6, 0:6 – und verursachen eine Wettbewerbsverzerrung. Weil die besten zwei Gruppenzweiten ebenfalls in den Viertelfinal vorstossen, spielt das den Amerikanern natürlich in die Karten.



2. Die Anspielzeiten

Die Ansetzung der Begegnungen sorgt nicht nur bei Rafael Nadal für einen dicken Hals. Die letzten Duelle, die aus zwei Einzeln und einem Doppel bestehen, sind ab 18:00 Uhr eingeplant – vorausgesetzt es gibt keine Verspätung. Die Begegnung zwischen der USA und Italien beginnt am Mittwoch gar erst um 20:15 Uhr und dauert bis in die frühen Morgenstunden. Um vier Uhr in der Früh entscheiden die Amerikaner das Doppel und damit die Begegnung für sich. Dass sie am Donnerstag nicht im Einsatz stehen, ist mehr einem glücklichen Zufall denn einer sorgfältigen Planung geschuldet. Weniger Glück haben Spanien und Rafael Nadal am Dienstag, als sie bis um 01:50 Uhr auf dem Court stehen und bereits am Folgetag wieder gefordert sind. «Diese Zeiten sind schlecht für die Spieler und das Publikum», lässt die Weltnummer eins im Anschluss Dampf ab. «Viele Leute müssen morgen wieder arbeiten.»



3. Das Interesse

Spiele bis mitten in die Nacht und das unter der Woche – kein Wunder, fallen einige Entscheidungen vor leeren Rängen. Doch auch zur Primetime sind die Stadien nicht wie gewünscht besetzt, einzig Lokalmatador Nadal scheint die Massen anzuziehen. «Wir wussten, das erste Jahr würde schwierig sein. Es braucht Zeit, den Leuten zu vermitteln, was das neue Format ist», erklärt Piqué. Gleichzeitig kontert er auf Twitter aber entsprechend kritische Kommentare – und erntet von Alizé Cornet (WTA 59) deshalb weiteren Gegenwind aus der Szene: «Lieber Gerard, ich sehe: Du warst noch nie an einem richtigen Davis Cup. Das ist es nicht.»

Auf Piqué und seine Organisation wartet also noch viel Arbeit. Das ist man sicher aber bewusst: «Nach dieser Woche werden wir schon besser dastehen als zuvor. Und nächstes Jahr noch besser. Wir sind ständig am Lernen.» Eines kann man dem 32-Jährigen definitiv nicht vorwerfen: fehlender Einsatz.

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