Seit über fünf Monaten hat Roger Federer auf der ATP-Tour kein Spiel mehr bestritten. Bis zum nächsten Auftritt wird noch mehr als ein halbes Jahr verstreichen. Boris Becker hegt Zweifel, ob das geplante Comeback gelingt.
Nur 14 absolvierte Partien über die gesamte Saison und eine dritte Knieoperation – Roger Federer hat sich definitiv mehr vom ablaufenden Tennisjahr erhofft. Längst ist klar, dass der Maestro auch den Start in die neue Saison verpassen und frühestens im kommenden Sommer sein Comeback geben wird. Doch kehrt der Basler überhaupt noch auf die grosse Bühne zurück? Und wenn ja, in welcher Verfassung?
«Die Wahrheit ist, dass ich unglaublich überrascht wäre, wenn ich im Sommer in Wimbledon schon wieder spielen würde», sagt Federer erst Mitte November und kündigt an, nichts überstürzen zu wollen. «Ob ich 2022 oder erst 2023 zurückkehre, mit 40 oder 41 Jahren – das macht für mich keinen grossen Unterschied.» Und doch dürfte jeder verstrichene Monat eine erfolgreiche Rückkehr in erster Linie erschweren.
Becker und Zverev zweifeln
«Tennis verändert sich und wird schneller. Das ist dann irgendwann nicht mehr einfach», sagt beispielsweise Alexander Zverev auf Federers lange Auszeit angesprochen. «Es gibt keinen grösseren Roger-Fan als mich, aber ich weiss nicht, wie einfach es ist, mit fast 41 Jahren noch einmal ein Comeback nach Knie-Operation zu geben», zweifelt der Olympiasieger von Tokio im Eurosport-Podcast «Das Gelbe vom Ball».
Boris Becker schliesst gar nicht aus, dass der Viertelfinal-Auftritt in Wimbledon im Juli das 1526. und letzte Spiel von Federer war. «Bei Roger trauen wir uns alle nicht zu sagen, dass er vielleicht auch nicht mehr spielt. Zumal es unrealistisch ist, dass man nach so langer Pause und in diesem Alter noch einmal in die Weltspitze zurückkehren kann», so der 54-Jährige.
Ähnliche Bedenken äussert Becker auch für die Zukunft von Rafael Nadal, der nach überstandener Verletzungspause nun vom Coronavirus ausgebremst wird. Ob der Spanier beim ersten Major-Turnier des Jahres antreten kann, ist unklar. «Die beiden Grossen des Tennis müssen sich Gedanken machen, wie lange man sie Spieler nennen darf», spricht Becker Klartext.
Klare Meinung in der GOAT-Debatte
Zverev dagegen sieht bei Nadal einen entscheidenden Vorteil: «Bei Rafa wird es einen Tick einfacher als bei Roger. Er ist fünf Jahre jünger, von daher ist das ein anderes Thema.» Der inoffizielle Tennisweltmeister 2021 lässt sich allerdings nicht darauf ein, Federer abzuschreiben. «Roger hat schon vieles geschafft, bei dem wir gesagt haben, das geht überhaupt gar nicht. Deswegen schliesse ich es nicht aus.»
So richtig daran zu glauben, dass Federer eines Tages noch einmal um die ganz grossen Titel mitmischt, scheint Zverev aber doch nicht. «Irgendwann kann man die ganzen Rekorde nicht mehr ignorieren. Novak hat genauso viele Grand Slams wie Federer und Nadal, er hat mehr Masters-Titel und mehr Wochen als Nummer 1. Novak gewinnt in jeder einzelnen Kategorie», positioniert sich der Deutsche in der GOAT-Debatte klar.
Becker dagegen meint: «Wenn sie heute alle drei nicht mehr Tennis spielen würden, würde ich Novak auch auf Platz 1 sehen.» Noch hat glücklicherweise aber keiner der drei Ikonen den Rücktritt erklärt.