Auf Augenhöhe Die Junioren-Zwillinge wieder vereint

ck, sda

15.12.2022 - 08:30

Sternstunde des Schweizer Sports: Im Juniorenfinal des French Open 2020 gewinnt Dominic Stricker (rechts) gegen Leandro Riedi.
Sternstunde des Schweizer Sports: Im Juniorenfinal des French Open 2020 gewinnt Dominic Stricker (rechts) gegen Leandro Riedi.
Bild: Keystone

Als Junioren bewegten sich Dominic Stricker und Leandro Riedi während Jahren auf Augenhöhe. Dann machte Stricker einen grossen Sprung, nun zieht Riedi nach. Zur grossen Freude beider.

Keystone-SDA, ck, sda

Eines macht Leandro Riedi sogleich klar: «Ich war nie, wirklich nie eifersüchtig auf Dominic. Aber seine Erfolge haben mich mega motiviert.» Die beiden 20-jährigen Riedi und Dominic Stricker sind die grössten Zukunftshoffnungen des Schweizer Tennis. Seit ein paar Wochen befinden sie sich wieder auf Augenhöhe.

Stricker und Riedi sind schon seit zehn Jahren zusammen unterwegs und pushten sich schon in den verschiedenen Juniorenkategorien gegenseitig. «Es ist ‹hönne cool›, dass wir es beide schon so weit gebracht haben», schwärmt Riedi und verfällt fast schon in Berner Dialekt. Höhepunkt dieses gemeinsamen Weges war der Juniorenfinal am French Open, als sie im tristen Corona-Herbst 2020 Schweizer Sportgeschichte schrieben. Erstmals standen sich zwei Schweizer im Final eines (Junioren-)Grand-Slam-Turniers gegenüber. Stricker gewann, wurde in der Folge Schweizer Nachwuchssportler des Jahres – dann trennten sich die Wege.

In Florida erwachsen geworden

Stricker startete gleich im März 2021 mit seinem ersten Turniersieg auf Challenger-Stufe in Lugano durch und arbeitete sich danach konsequent nach oben – bis auf aktuell Position 118 der Weltrangliste. Vor ihm sind nur drei Spieler klassiert, die jünger sind als der Linkshänder aus Grosshöchstetten. Riedi hingegen blieb etwas verloren zurück. «Ich wusste nicht so recht, wo ich stehe», gibt er zu. «Ich habe zu hohe Anforderungen an mich gestellt, da musste ich beissen.» Ein bisschen unter Druck stellten ihn die Erfolge des einstigen «Zwillings» schon.

Die Wende kam Ende 2021, als Riedi von November bis Januar alleine in eine kleine Akademie nach Delray Beach an Floridas Ostküste reiste, um «den Kopf frei zu kriegen», wie er es formuliert. «Da bin ich erwachsen geworden.» Es folgte ein erster Leistungssprung im Frühling mit dem ersten Challenger-Final, ebenfalls in Lugano. So richtig zündete der in Frauenfeld geborene Zürcher den Turbo aber im November. In Helsinki und im italienischen Andria triumphierte Riedi gleich bei zwei Challenger-Events und machte im ATP-Ranking einen Riesensprung auf aktuell Platz 158. Das Jahr begonnen hatte er noch ausserhalb der Top 700. «Die beiden Challenger-Siege waren mega emotional», blickt er zurück und strahlt.

Es bedeutet nämlich, dass er im Januar erstmals die Qualifikation für das Australian Open spielen kann – und damit wieder auf gleicher Stufe agiert wie Stricker. Dieser freut sich mit. Denn nun können die beiden wieder zusammen trainieren und, wenn es die Situation erlaubt, ab und zu gemeinsam Doppel spielen.

Geldsegen soll investiert werden

Auch für Stricker waren die letzten Wochen emotional, seine herausragenden Erlebnisse wirkten sich aber nicht auf die Weltrangliste aus. Er war erstmals an den Next Gen Finals in Mailand, dem Masters für die Bis-21-Jährigen dabei und erreichte die Halbfinals. Dann erhielt er eine Einladung zu einem mit lauter Topstars besetzten Exhibition-Turnier in Saudi-Arabien, wo er im Doppel sogar gewann. «Mit all diesen Spielern trainieren zu können, hat mir mega geholfen», stellt er fest. Daneben gaben beide Turniere auch mehrere hunderttausend Dollar Preisgeld und Antrittsprämie – Geld, das Stricker für eine Verstärkung seines Coaching-Staffs (Physiotherapie und Fitness) nutzen will.

Riedi trennte sich kurz vor den beiden Turniersiegen im November von Coach Yves Allegro. An Turniere wird der Zürcher von Cyril Cornu begleitet. Daneben plant er, vermehrt auch mit dem Swiss-Tennis-Coach Phillip Wallbank zusammenzuarbeiten.

Tipps von Federer

Emotional berührt haben Stricker und Riedi nicht nur die eigenen Erfolge, sondern auch der Rücktritt von Roger Federer im September, der bei beiden für Tränen sorgte. Beide hatten in der Vergangenheit die Möglichkeit, mit dem 20-fachen Grand-Slam-Champion zu trainieren. «Er hat mir viele Sachen mitgegeben», sagt Stricker. «Der wichtigste Tipp war, an meinem Aufschlag zu arbeiten. Das hat doch sehr gut funktioniert.» Bei Riedi bleibt vor allem Federers Bodenständigkeit haften. «Für mich sticht heraus, wie nett und freundlich er zu allen war.»

Über die riesigen Fussstapfen, die die beiden zu füllen haben, machen sie sich keine Gedanken. «Das ist null Belastung für mich», versichert Riedi. Einen nächsten Federer werde es sowieso nicht geben. Sie sind vorerst zufrieden, dass sie gleich nach Weihnachten in das Flugzeug nach Australien steigen können. Vor der Qualifikation für das Australian Open steht Stricker im Schweizer Mixed-Team am neuen United Cup im Einsatz; Riedi spielt noch ein Challenger-Turnier in Canberra.