Novak Djokovics Rekurs gegen die Verweigerung seiner Einreise nach Australien hatte Erfolg. Ob er jetzt tatsächlich an den Australian Open teilnehmen darf, liegt nun in den Händen von Einwanderungsminister Alex Hawke. Wer ist dieser Mann, der die Weltnummer 1 noch stoppen kann?
Der erste Satz ging an den serbischen Tennisstar. Novak Djokovic und seine Anwälte haben mit ihrem Einspruch aufgrund formaler Verfahrensfehler der australischen Grenzschützer bei Richter Anthony Kelly Gehör gefunden. Das letzte Wort im Krimi, der die ganze Welt in Atem hält, hat allerdings der australische Einwanderungsminister Alex Hawke. Aufgrund der gesetzlichen Grundlage seines Landes hat er höchstpersönlich das Recht, die Aufhebung des Visums anzuordnen. Diese Amtshandlung kann er also nicht weiterdelegieren. Ziemlich viel Macht für eine einzelne Person.
Uni-Absolvent, Offizier, Polittalent
Doch vor Verantwortung hat Hawke sich noch nie gescheut. In einer Vorstadt von Sydney aufgewachsen schliesst er die Universität ab (Master in Government and Public Affairs). In der Armee dient er sechs Jahre und wird Leutnant.
Doch seine grosse Karriere will Hawke in der Politik machen. Als 18-Jähriger tritt er der Jungpartei der Liberal Party bei. Er macht schon früh kein Hehl aus seiner Haltung: «Niemand kommt in die Liberal Party, um links zu sein. Wenn du für studentische Zwangsvereinigungen, Drogenabgaben oder eine Senkung des Schutzalters bei Homosexualität stehst, dann kannst du dich den Grünen, der Labor Party oder den Demokraten anschliessen.»
Der Ehrgeiz des intelligenten Polit-Talents ist gross. Dabei fährt er des Öfteren auch grobes Geschütz auf. Und wird beim Schwindeln ertappt, als er eine Beteiligung an einer Kampagne gegen einen Konkurrenten – der sich später versucht, das Leben zu nehmen – aus den eigenen Reihen abstreitet. An seinem Aufstieg kann aber auch dieses dunkle Kapitel nichts ändern.
Bibelfester Opportunist
2007 wird er ins australische Parlament gewählt. Mit seinem strammen Rechtskurs erhält der gläubige Christ, der gegen die gleichgeschlechtliche Ehe kämpft, weil die Familie die Basis einer Gesellschaft verkörpere, stets viel Unterstützung bei seiner Wählerschaft. Der Neo-Konservative kann mit Umweltthemen wie Klimawandel wenig anfangen. Und als mit Anne Aly die erste Muslimin ins Parlament einzieht, spottet er über die gebürtige Ägypterin: «Sie denkt wohl, ihre Diversität sei besser als die Diversität anderer Menschen.»
Ungeachtet solcher Voten hat Hawke ein besonders ausgeprägtes politisches Gespür. Fast immer setzt er auf die richtigen Leute. 2015 bekommt der Familienvater (vier Söhne mit seiner zweiten Ehefrau) einen wichtigen Posten im Finanzamt, es folgen weitere interne Ämter in der Regierung. Mit Scott Morrison, der 2018 Australiens Premier wird, hat Hawke einen wichtigen Fürsprecher an seiner Seite.
Die beiden kennen und schätzen sich seit Langem – einmal in der Woche gehen sie in die gleiche Bibelgruppe. Morrison belohnt die Treue seines Zöglings und ernennt Hawke Ende 2020 zum Einwanderungsminister. In Migrationsfragen fährt die australische Regierung schon seit Langem einen harten Kurs, was ganz im Sinne von Hawke ist.
Gnade für Djokovic oder Vollstrecker des Volkswillen?
Sein Machtinstinkt ist nun in der Saga um Djokovic wieder gefragt. Die Weltöffentlichkeit wartet gebannt auf den Entscheid des 44-Jährigen. In der Corona-Krise gaben Morrison und Co. nach Ansicht vieler Landsleute keine gute Figur ab. Deshalb umgibt das Urteil auch eine politische Komponente. Mit einer Verweigerung des Visums – die Hawke zum Beispiel simpel mit «öffentlichem Interesse» begründen könnte – wäre er voll auf der Linie seines Chefs, der zu Beginn festhielt: «Regeln sind Regeln, vor allem, wenn es um unsere Grenzen geht – niemand steht über diesen Regeln.» Die Hürde für eine Annullierung ist klein.
Zudem scheint die überwiegende Bevölkerung gemäss Umfragen kein Verständnis für eine Sonderbehandlung des ungeimpften Tennisprofis zu hegen. In Australien gab es mehr Lockdowns als sonst irgendwo auf der Welt.
Diese Umstände deuten also darauf hin, dass Djokovic schlechte Karten bei ihm hat. Doch es gibt auch ein wenig Hoffnung für den Serben. In einer Rede sagte Hawke: «Ich glaube fest an die Ideen von Gnade, Vergebung, Erlösung und einer zweiten Chance.»