KommentarDjokovic wird seinen Biss nie mehr finden
Martin Abgottspon
5.4.2018
Mit dem Titelgewinn bei den French Open 2016 setzte sich Novak Djokovic ein letztes Denkmal. Seither ist er auf der Suche. Auf der Suche zurück in die Spur und nach sich selbst. Finden wird er so schnell wohl nichts.
Out beim ersten Auftritt in Indian Wells, out beim ersten Versuch in Miami: Von Novak Djokovic ist derzeit nicht mehr viel übrig, was ihn während Jahren ausgezeichnet hat. Sein Biss und Ehrgeiz sind weg. Ausgerechnet jene Dinge, mit welchen er aus dem Schatten von Federer und Nadal heraus operierte, bis er schliesslich selber der Beste war. Djokovics stärkste Waffen sind entladen.
Natürlich erholt sich der Serbe noch immer von seiner Handgelenk-Operation, die er sich nach den Australian Open in der Muttenzer Rennbahnklinik unterziehen liess. Doch diese kann ihn unmöglich daran hindern, vermeintlich einfache Erstrundengegner wie die Nummer 111, Taro Daniel, auszuschalten. Ansonsten würde Djokovic gar nicht spielen. Nein, Djokovic kriegt es im Kopf ganz einfach nicht mehr auf die Reihe, an seinen alten Erfolgen anzuknüpfen.
Nur einer bleibt: Pepe Imaz
Fragen stellt er sich viele. Antworten sucht er vergeblich. Auch Andre Agassi und Radek Stepanek konnten zuletzt nichts daran ändern, weshalb sich Djokovic jetzt von beiden wieder getrennt hat. Neben Boris Becker, Fitnesstrainer Gebhard Phil Gritsch, Physiotherapeut Miljan Amanovic und seinem langjährigen Begleiter Marjan Vaida waren Agassi und Stepanek nur zwei weitere Berater, die genauso ratlos waren und womöglich auch nicht wussten, wie Djokovic überhaupt noch zu helfen ist.
Wer bleibt, ist Pepe Imaz. Von zahlreichen Medien immer wieder als «Guru» bezeichnet, war er einer der ersten, der Djokovic nach seinem sportlichen Tief 2016 neuen Antrieb verleihen sollte. Und sein Einfluss ist nicht zu unterschätzen. Denn Djokovic verteilte nicht einfach so plötzlich überall Herzchen, knuddelte seine Gegner und Fans. «Tennis hat nicht mehr oberste Priorität. Ich bin an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich versuche, der beste Ehemann, der beste Vater und der beste Tennisspieler zu sein.» Dies sagte der 30-Jährige einst in seinem ersten Krisenjahr. Und zu den häufigeren Meditationen meint er: «Ich kann nicht sagen, was ich dabei gewinne, aber ich kann sagen, was ich verliere: Angst und Stress.»
Djokovic mag dadurch ausgeglichener sein. Gut möglich, dass er auch glücklicher und zufriedener ist als in den intensiven Jahren 2014 bis 2016, als er beinahe unbesiegbar schien. Auf der anderen Seite lähmt es ihn aber auch. Zumindest wenn der sportliche Erfolg für ihn doch noch eine Bedeutung haben sollte. Denn wer nach einer Erstrunden-Niederlage mit einem Lächeln ans Netz geht, um seinem Gegner zu gratulieren, der hat ganz einfach nicht mehr den nötigen Biss, um sich wieder unter die Besten zu mischen.
Schrecken ohne Ende?
Der 12-fache Grand-Slam-Champion setzt seine Prioriäten anders. Das ist auch völlig in Ordnung. Nur muss er dann eben auch damit leben, nicht mehr auf den Tennisthron zurückzukehren. Dass man bester Ehemann, Vater und Tennisspieler sein kann, hat Federer bewiesen. Doch der Schweizer hatte in all den Jahren auch immer ein Umfeld, auf welches er sich zu hundert Prozent verlassen konnte. Dieses scheint Djokovic zu fehlen.
Ob der Serbe auf Sand antreten wird, ist derzeit noch unbekannt. Selber hat er sich noch nicht dazu geäussert. Sollte er tatsächlich auch körperlich noch nicht in Bestform sein, lässt er es besser bleiben. Denn auf keinem anderen Untergrund sind Fitness, Beinarbeit und ein Vertrauen in die eigenen Schläge wichtiger als auf Sand. Die Ballwechsel dauern länger, nirgendwo sonst wird das anfällige Handgelenk des Serben mehr beansprucht.
Sollte er doch antreten, drohen ihm nicht nur weitere frühe Niederlagen, sondern auch der Absturz in der Weltrangliste. Djokovic könnte schneller als gedacht in der sportlichen Bedeutungslosigkeit verschwinden. Ein Szenario, das vor zwei Jahren noch unmöglich schien.
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