Kommentar Ein trügerischer Auftaktsieg als Initialzündung für Stan Wawrinka?

Von Luca Betschart

29.9.2020

Was liegt bei den French Open für Stan Wawrinka in diesem Jahr drin?
Was liegt bei den French Open für Stan Wawrinka in diesem Jahr drin?
Bild: Getty

In seiner Auftaktpartie am Sonntag deklassiert Stan Wawrinka den dreifachen Grand-Slam-Sieger Andy Murray und gibt nur sechs Games ab. Für den weiteren Turnierverlauf bleibt der Schweizer aber eine Wundertüte.

In dem mit Spannung erwarteten Duell mit Andy Murray lässt Stan Wawrinka seinem routinierten Kontrahenten in der ersten Runde der French Open nicht den Hauch einer Chance. Nur sechs Games gewinnt der enttäuschende Schotte – so wenig, wie bis dahin nur einmal in seinen 237 Grand-Slam-Auftritten.

Beim 33-Jährigen passt wenig zusammen, Murray selbst spricht gar von «der wahrscheinlich schlimmsten Niederlage der Karriere» bei einem Major-Turnier. «Ich rechne damit, dass ich bis zum Ende des Jahres nicht mehr so spielen werde», macht er keinen Hehl aus der ungenügenden Leistung.



Der Auftaktsieg als Initialzündung?

Grund genug für Wawrinka, den deutlichen Sieg am Sonntag nicht überzubewerten. Der erste echte Härtetest steht wohl erst noch bevor, bereits in der zweiten Runde gegen den Deutschen Dominik Koepfer dürfte ihn am Mittwoch deutlich mehr Gegenwehr erwarten. Nichtsdestotrotz könnte sich der lockere Start als grossen Vorteil herausstellen – insbesondere in der Lage, in der sich der dreifache Grand-Slam-Champion befindet.

Denn einerseits braucht der Romand bei grossen Turnieren oft etwas Anlaufzeit, bis er zu seinem besten Spiel findet – um ab da auch für die grössten Favoriten zur ernsthaften Gefahr werden zu können. Je länger er im Turnier drin ist, desto wohler fühlt sich Wawrinka in der Regel. Übersteht der Schweizer die ersten zwei oder drei Runden, ohne zu viel Kraft zu verbrauchen, kann die Reise auch bei einem Major-Turnier nach wie vor weit gehen.

Andererseits dürfte die überraschende Trennung von seinem langjährigen Trainer Magnus Norman nicht spurlos an Wawrinka vorbeigehen. Vor allem der gewählte Zeitpunkt so kurz vor den French Open erscheint sonderbar. Mit Norman hatte er zwischen 2014 und 2016 drei Grand-Slam-Titel gewonnen, die erste Trennung der beiden im Oktober 2017 hatte Wawrinka nicht gut wegstecken können. Der neu allein verantwortliche Coach Daniel Vallverdu soll Ähnliches nun verhindern.

Fragezeichen hinter Wawrinkas Formstand

Wawrinka fehlt zudem auf höchstem Niveau die Spielpraxis. Nach der langen Coronazwangspause bestreitet die aktuelle Weltnummer 17 vor den French Open nur eine Partie auf ATP-Stufe, die gegen den Italiener Lorenzo Musetti prompt verloren geht. Beim Challenger-Turnier in Prag Ende August tritt er im Viertelfinal wegen Schmerzen im Oberschenkel nicht mehr an.

Und so stehen unter dem Strich auch nach dem starken Auftritt gegen Murray zahlreiche Fragezeichen hinter dem Formstand des French-Open-Siegers von 2015. Auch, weil er sich vor Turnierstart nicht öffentlich äussern will. Zum engeren Favoritenkreis wird er nicht gezählt. Genau das dürfte allerdings ganz im Sinn von Wawrinka sein. Es wäre nicht das erste Mal, dass der Romand die gesamte Konkurrenz als Aussenseiter düpiert. 

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