US Open «Es ist brutal, so rausgeschmissen zu werden» – die Krise spitzt sich zu

Luca Betschart

6.9.2020

Timea Babos (links) und Kristina Mladenovic werden am US Open von den Quarantäne-Vorschriften ausgebremst.
Timea Babos (links) und Kristina Mladenovic werden am US Open von den Quarantäne-Vorschriften ausgebremst.
Bild: Keystone

Die Krise an den diesjährigen US Open in New York spitzt sich zu. Nachdem das Doppel Mladenovic/Babos disqualifiziert wird, hagelt es für die Organisatoren Kritik.

Weil Adrian Mannarino vor dem Turnier engen Kontakt mit dem positiv getesteten Benoit Paire hat, gibt es für den Franzosen am Freitag vor seinem Drittrundenspiel gegen Alexander Zverev eine böse Überraschung. «Erst wenige Stunden vor dem geplanten Beginn der Partie habe ich erfahren, dass ich und mein Team bis zum Rest der Quarantäne auf unseren Zimmern sein müssen», schildert der verwunderte Mannarino später an der Pressekonferenz. Er müsse nun bis kommenden Freitag in seinem Hotelzimmer ausharren.

Immerhin für die Partie gegen Zverev (Niederlage in vier Sätzen) erhält Mannarino noch einmal Auslauf. Ein Privileg, das Kristina Mladenovic einen Tag später verwehrt wird. Im Einzel bereits ausgeschieden, ist die Französin zusammen mit Timea Babos in der Doppelkonkurrenz an Nummer 1 gesetzt – bis sie am Samstag aus dem Tableau gestrichen wird.



Die Begründung folgt in einem Schreiben der Organisatoren: «Alle Personen, bei denen festgestellt wurde, dass sie einen längeren engen Kontakt mit dem infizierten Spieler haben, werden für den Rest ihrer Quarantänezeit in ihren Zimmern unter Quarantäne gestellt.»

Ungereimtheiten sorgen für Kritik

Die Direktbetroffenen dürfen ihr Zimmer nicht einmal mehr für das Training verlassen. Das entschied die Gesundheitsbehörde von Nassau County, wo die meisten Spielerinnen hausen. Nur: Warum darf Mannarino einen Tag zuvor nach langem Hin und Her noch antreten, die mehrfach negativ getestete Mladenovic aber nicht? Die Ungereimtheiten sorgen für Aufregung.

Der Tennisjournalist Christopher Clarey schreibt auf Twitter: «Einfach unfair, einen Spieler gestern spielen zu lassen (Mannarino) und die Spielerin heute nicht (Mladenovic). Bei Regeln sollte es um Konsistenz gehen und nicht darum, sie im Laufe der Zeit zu erfinden.»

Auf «Eurosport» äussert auch Experte Boris Becker sein Unverständnis: «Es macht überhaupt keinen Sinn. Es ist immer schlecht, wenn die Politik in den Sport eingreift. Normalerweise gleiches Recht für alle, aber hier wurde unterschiedlich Mass genommen – das ist nicht richtig und unfair dem jungen Mädchen gegenüber», sagt Becker. Auch die französische Sportzeitung «L’Équipe» nimmt ebenfalls kein Blatt vor den Mund und titelt: «Die US Open 2020 – ein Amateur-Turnier».

«Es ist brutal, auf diese Weise rausgeschmissen zu werden»

Mitleid erhält Mladenovic auch von Landsfrau Alize Cornet. «Wow, ich war geschockt. Ich schrieb ihr direkt, um zu wissen, was los ist. Ich denke, sie ist ein bisschen überwältigt», sagt Cornet nach ihrem Sieg über Madison Keys an der Pressekonferenz und fügt an: «Es ist sehr brutal, auf diese Weise rausgeschmissen zu werden. Ich bin mir nich sicher, was ich davon halten soll. Sicher ist aber, dass ich sehr traurig für sie bin.»

Bis nächsten Freitag muss Mladenovic auf ihrem Zimmer bleiben, die US Open sind für sie Geschichte. Wie es für die restlichen Betroffenen in Flushing Meadows weitergeht, ist fraglich. «Da waren ja noch einige andere Spieler mit Benoit Paire in Kontakt. Auch einige Herren, die noch im Wettbewerb sind. Ich weiss nicht, wie diese Reise weitergeht», zweifelt beispielsweise Boris Becker.

Zu den Angesprochenen gehört etwa auch der letztjährige Finalist Daniil Medvedev. Für den Russen gibt es zurzeit aber keinerlei zusätzliche Einschränkungen – abgesehen von den allgemein gültigen Corona-Sicherheitsmassnahmen natürlich. Das hätte er auch Mladenovic gewünscht: «Das New Yorker Gesundheitsamt ist vielleicht der Meinung, dass es nicht sicher ist für alle. Wenn Sie nach meiner Meinung fragen: Ich denke, sie sollten spielen. Aber meine Meinung hat hier nichts zu bedeuten», sagt Medvedev mit einem Lächeln. Ob ihm jenes vor seiner Achtelfinal-Partie am Montag noch vergehen wird, wird sich weisen.

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