Der Südafrikaner strotzt vor Selbstvertrauen. Ein Selbstvertrauen, das er sich alleine hier in Wimbledon angeeignet hat. Im Verlauf des Turniers konnte er sich ständig steigern. Auf dem Weg in den Final schlug er den deutschen Rasenliebhaber Philipp Kohlschreiber, den formstarken Franzosen Gaël Monfils, den er zuvor noch nie geschlagen hatte, danach – ebenfalls erstmals in seiner Karriere –Turnierfavorit Roger Federer in einem Thriller und John Isner, gegen den er auch eine schlechte Bilanz von 3:8 hat in einem noch epischerem Match. Nun wartet Djokovic, gegen den er eine 1:5-Bilanz aufweist. Wann sollte er diese Bilanz aufbessern, wenn nicht heute?
Seine Waffen
Temperaturmässig war es eines der heissesten Turniere der Wimbledon-Geschichte. Der Rasen ist sehr trocken, die Bälle werden schneller und rutschen noch mehr durch als sonst. Das spricht für das Spiel des Südafrikaners, der einerseits einen mörderischen Aufschlag hat und andererseits stets versucht, den Punkt so schnell wie möglich zu beenden. Natürlich ist das auch Djokovics Ziel. Wenn es Anderson gelingt, sein Spiel aufzuziehen und wenig Fehler macht, dann wird es auf dieser Unterlage bei diesen Bedingungen für jeden schwierig, ihn zu bezwingen – auch für Novak Djokovic.
Seine Coolness
2017 waren viele überrascht, dass der «Hard Hitter» im Final der US Open stand. Zugegebenermassen hatte er dort kaum eine Chance gegen einen sehr dominant auftretenden Rafael Nadal. Aber genau diese Finalerfahrung könnte das entscheidende Puzzleteilchen zum Erfolg in Wimbledon sein. Er hat nicht viel zu verlieren und hat im Verlauf des Turniers mehrmals bewiesen, dass er auch mental wohl in der Form seines Lebens ist.
Sein Gegner
Es mag jetzt irre klingen, aber der Novak Djokovic 2018 ist bestimmt kein schlechter Finalgegner für den 32-Jährigen. Denn der Serbe ist mental noch nicht da, wo er zu seinen besten Zeiten war. «Nole» will auf «Teufel komm raus» endlich wieder einen grossen Titel gewinnen. Es scheint fast manisch, wie der Serbe auf der Suche nach der früheren Dominanz ist. Gegen Nadal war Djokovic fast so etwas wie der Aussenseiter. Gegen Anderson ist er der haushohe Favorit. Und was hasst Djokovic noch mehr, als gegen seine grossen Rivalen zu verlieren? Richtig: Gegen einen Aussenseiter zu verlieren, der spielerisch weniger drauf hat als er. Wo die Leute nachher nicht von einer «ehrenvollen», sondern von einer «überraschenden» Niederlage sprechen und die Diskussionen wieder losgehen, ob Djokovic es je wieder schaffen wird, an seine frühere Form anzuknüpfen.
Sein Auftrag
Kevin Anderson hat nicht die Grazie eines Roger Federer, er hat nicht den unbändigen Willen eines Rafael Nadal, er hat nicht die Athletik eines Novak Djokovic oder den Kampfgeist eines Andy Murray. Er ist nicht mit einem solch ausserordentlichen Talent gesegnet wie die grossen Vier. Er ist einer dieser typisch «soliden» Spielern, die einen Grand-Slam-Final in der Regel verlieren. Deshalb wäre ein Sieg seinerseits ein Statement an alle «soliden» Spieler da draussen, die sich tagtäglich reinknien, um vielleicht mal eine solche Chance zu haben, wie der Südafrikaner heute. Und diese dann eben auch mal zu packen. Das dürfte für ihn – unterbewusst natürlich – eine zusätzliche Motivation sein.
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