Krise Gaël Monfils gesteht psychische Probleme nach Re-Start: «Ich habe das Feuer nicht mehr»

SB10

29.10.2020

Gaël Monfils durchlebt derzeit eine schwierige Phase.
Gaël Monfils durchlebt derzeit eine schwierige Phase.
Bild: Getty

Gaël Monfils läuft seit der Wiederaufnahme des Tennis-Zirkus im Sommer seiner zuvor tollen Form hinterher. Nun zieht er einen Schlussstrich unter die Saison und will mental wieder Kraft schöpfen, bevor er wieder auf den Court geht.

Am Montag gab Gaël Monfils beim ATP-Turnier in Wien gegen Pablo Carreño Busta beim Stand von 6:1 und 2:0 für den Gegner wegen einer Nackenverletzung auf. Es war seine vierte Niederlage in ebenso vielen Spielen in Folge. Seit dem Re-Start der Tour lief bei ihm gar nichts mehr zusammen.

Der Franzose berief kurz darauf auf seinem Twitch-Kanal eine Pressekonferenz für ausgewählte Journalisten ein. Im Begleittext stand: «Viele Fragen müssen gestellt werden, viele Antworten werden gegeben werden.» Tennisfans spekulierten im Vorfeld zwangsläufig über einen Rücktritt.

So weit kommt es zum Glück nicht: Doch der 34-Jährige beendet seine Saison per sofort und wird auch nicht in Paris beim Masters teilnehmen. «Ich kann derzeit nicht das Beste aus mir herausholen, also höre ich auf, um dann wieder besser zu starten», gesteht ein überraschend gut aufgelegter Monfils.

Der Einbruch nach dem Lockdown

Einen tollen Auftakt hatte Monfils auch 2020. Bei den Australian Open verlor er zwar noch im Achtelfinal gegen den späteren Finalisten Dominic Thiem, danach folgten aber Turniersiege in Montpellier und Rotterdam. In Dubai brachte er anschliessend im Halbfinal Dominator Novak Djokovic an den Rand einer Niederlage, verlor das Spiel schliesslich – trotz Matchbällen – noch. Doch der spektakuläre Athlet mit den Powerschlägen war wieder ein Top-10-Spieler.

Dann kam die Coronakrise. Die Zwangspause und ihre Umstände setzten ihm zu: «Ich habe während des Lockdowns viel verloren. Wir machten Übungen, aber wir wussten nie, wann wir wieder anfangen würden. Wir hatten eine Menge Fragen. Als wir weitermachten, hatte ich nicht mehr das gleiche Selbstvertrauen», erläutert Monfils.

«Ich war oft sehr traurig. Die Ausgangsbeschränkungen haben mich ausbrennen lassen. Das hat geschmerzt. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen soll», so der Mann aus Paris. «Beim normalen Turnieralltag ist es ziemlich einfach. Man ist in seiner eigenen Blase, man ist ein bisschen vor allem geschützt. Zuhause war ich von viel mehr Dingen betroffen. Ich habe meine mentale Stärke verloren. Ich habe lange Zeit meine Familie nicht gesehen (...) Psychologisch ist es hart und es hat seine Spuren hinterlassen», hält die aktuelle Weltnummer 11 fest.

Ablenkung als Lösung – Down Under zum Angriff blasen

Diese psychischen Probleme wirken sich unmittelbar auf sein Tennisspiel aus: «Ich kann mich nicht entspannen, wenn ich auf dem Platz bin. Ich verkrampfe mich (...) Es ist eine geistige Blockade, die körperlich wird. Ich muss mit einem Mentaltrainer wieder an die Arbeit gehen. (...) Während einer Partie bin ich zu schnell frustriert. Psychisch gibt es ein Problem. Ich habe das Feuer nicht mehr.»

Der Freund der Spitzenspielerin Elina Svitolina bereut, auf der falschen Unterlage die Vorbereitung auf den Re-Start absolviert zu haben. «Am liebsten spiele ich auf Hartplätzen oder in der Halle. Vielleicht hätte ich nicht auf Sand trainieren sollen. Als ich wieder zu trainieren begann, war ich zu sehr auf die Leistung konzentriert, ich verlor den Spass. Wenn ich einen Fehler gemacht habe, habe ich – statt über den nächsten Punkt nachzudenken – darüber nachgedacht, versucht etwas zu ändern. So ging alles schief. Ich bin bei der Suche nach Details im Training und auch im Spiel zu weit gegangen.»

Um seine Batterien wieder aufzuladen, will Monfils den Schläger für eine Weile nicht anfassen. Sport will er trotzdem treiben, dazu ein paar Wochen wie «ein junger Mann» mit Videospielen und Serien verbringen. Sein Fazit ist klar: «Ich muss die Freude am Tennissport zurückbekommen.»

Sein nächstes Ziel sind die Australian Open. Wenn es nach ihm ginge, würde er bald abreisen, um die derzeit geforderte zweiwöchige Quarantäne hinter sich zu bringen und sich wieder gut vorzubereiten. Trotz seines fortgeschrittenen Alters sieht er «noch einige gute Jahre vor sich». Der im Waadtland lebende Tennisprofi hat noch eine positive Botschaft: «Ich kann mir vorstellen, bis als 40-Jähriger gut zu spielen. Mindestens bis zu den Olympischen Spielen in Paris 2024, wo ich dann 38-jährig wäre.» 


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