In New York herrscht aktuell eine Hitzewelle. Die drückende Schwüle macht auch den Tennisprofis bei den US Open zu schaffen. Experte Heinz Günthardt spricht mit blue Sport über die schwierigen Bedingungen.
Heinz Günthardt, aktuell beherrscht ein grosses Thema in New York die Schlagzeilen: Die drückende Hitze und Luftfeuchtigkeit. Wie gross ist dieses Problem wirklich?
Heute gibt es eine Heat-Rule. Ich habe als Spieler selbst ein Jahr erlebt, in dem es wahnsinnig heiss war. Es war mehr ein Überlebenskampf. Man fühlte sich so schlecht und hat nur gehofft, dass sich der Gegner noch schlechter fühlt.
Einmal hatte ich ein Match auf dem Center Court. Das Thermometer in der Sonne zeigte weit über 50 Grad an. Man muss sich das Ganze als Kessel vorstellen. Dann hat man die Sonne, welche den Kessel aufheizt – eigentlich nicht zumutbar. Wahrscheinlich hätte man heutzutage auch nicht gespielt.
Sie hatten nun ja auch teilweise das Dach zu, damit es etwas kühler ist – vor allem auch für die Zuschauer. Wenn man Best-of-5 spielt und die Bedingungen so sind, dann geht es teilweise nicht mehr um das Tennis spielen, sondern wie man mit der Hitze umgeht. Man versucht das nächste Game mehr oder weniger zu überleben und hofft, man ist ein wenig fitter als der Gegner.
Wenn man führt, ist das ein grosser Vorteil, das verleiht einem ein wenig Flügel. Liegt man hingegen mit 0:2-Sätzen hinten – wie beispielsweise Rublev gegen Medvedev – kann man sich das teilweise gar nicht vorstellen, wie man das Match noch wenden soll.
Wäre es auch ein Thema, Matches zu unterbrechen, weil die Bedingungen unerträglich sind?
Die Berechnung ist nicht ganz einfach, wann das Limit erreicht ist. Es ist eine komplizierte Formel (A.d.Red: Wet-Bulb Temperature Effect) mit Wärme, Luftfeuchtigkeit, Luftbelastung etc. Die Hitze-Regel gilt das ganze Jahr, bei allen Grand Slams. Am Schluss soll es widerspiegeln, was man als Temperatur empfindet, nicht nur, was das Thermometer effektiv anzeigt.
Gestern war das noch genau im Rahmen, sehr nah an der Grenze. Es ist entschieden worden, es ist noch spielbar. Dabei darf man nicht vergessen, es hat 24'000 Zuschauer, doch nicht jeder ist da fit. AIs ich in der Hitze spielte, hatten wir drei oder vier Unterbrechungen, weil ein Zuschauer umkippte. Nachher hat man die Zuschauer gebeten, bei jedem Wechsel aufzustehen. Das hat ja dann auch kein Vergnügen für die Zuschauer mehr, wenn es so heiss ist.
Es gibt Situationen, in denen man denkt, es ist erstaunlich, dass gespielt wird. In anderen Momenten – vor allem in Australien – habe ich schon gedacht – warum spielen sie nicht? Aber das ist dann halt die Formel, die dazu führt, dass man das Gefühl hat, dass es jetzt fast schon lebensgefährlich ist, bei diesen Bedingungen, Tennis zu spielen.
Früher hat es das logischerweise nicht gegeben. Es ist also nie jemand umgefallen und nicht mehr aufgestanden. Aber auch die Qualität des Tennis ist natürlich irgendwann mal nicht mehr gut. Und was man auch nicht vergessen darf, auch für die Zuschauer. Die zahlen sehr viel Geld für das Billett. Zwei Stunden in der Sauna sitzen ist auch für sie nicht gesund.
Muss, wie Medvedev sagte, zuerst etwas passieren, damit man etwas unternimmt?
Man hat ja jetzt die Hitzeregelung. Im Prinzip wird ja schon etwas unternommen. Und so viele Tage und Orte gibt es auch nicht, wo es dann so heiss wird. Der Klassiker ist logischerweise Australien. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es dort mittlerweile in drei Stadien Dächer gibt. Hier stellt sich die Frage: Wenn es nach der Hitze-Regel noch knapp spielbar ist, einer spielt draussen, der andere spielt mit dem Dach in der leicht abgekühlten Halle. Am nächsten Tag müssen sie gegeneinander spielen – das ist natürlich nicht fair. Aber perfekt kann man es sowieso nicht machen. Wir reden vom Wetter, das kannst du nicht bestellen.