Dominic Stricker bodigt am US Open mit Stefanos Tsitsipas die Weltnummer 7 im Tennis. Dank des Sieges über fünf Sätze zieht Stricker in die dritte Runde ein. Tennis-Experte Heinz Günthardt schätzt den Exploit ein.
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- An der 2. Runde des US Open zwingt Dominic Stricker die Weltnummer 7 Stefanos Tsitsipas nach fünf Sätzen in die Knie.
- Tennis-Experte Heinz Günthardt schätzt den Sieg des 20-Jährigen ein: «Es ist keine Sensation, aber eine Überraschung.»
- Vorausblickend sagt Günthardt, dass ihm der Sieg über Tsitsipas so viel Selbstvertrauen geben müsse, dass er «im nächsten Spiel rausläuft und weiss: ‹Ich bin zumindest ebenbürtig.›»
Günthardt ...
... über den Fünf-Satz-Krimi
«Es war absolut grossartiges Tennis. Nicht zuletzt, weil Dominic den Hauptteil des Spiels eigentlich auch dominieren konnte, wenn der Ball mal im Spiel war. Stricker war der bessere Spieler während des ganzen Spiels. Tsitsipas hat sich eigentlich mit dem Service im Spiel gehalten und zwei gute Tiebreaks gespielt. Stricker hätte mindestens mit 2:1-Sätzen führen müssen. Deshalb finde ich es umso grösser, dass er am Schluss das noch drehen konnte.»
... das ständige Auf und Ab mit vielen Breaks
«Dominic hat sehr gut retourniert auf den zweiten Service von Tsitsipas. Tsitsipas hatte heute – wie schon den ganzen Sommer – ein Backhandproblem. Das hat sich gezeigt, als er für den Match servieren konnte. Er hat am Ende zwei einfache Backhand verzogen. Auf einer Seite musste man zudem auch noch gegen den Wind spielen.»
... die Wende im vierten Satz
«Ich habe schon sehr viel erlebt. Die Chancen, dort zu gewinnen, sind nicht mehr allzu gross. Man braucht ein wenig Hilfe. Aber es kam ja immer wieder Hilfe von Tsitsipas. Er hat auf mich sehr nervös gewirkt. Überhaupt nicht voller Selbstvertrauen. Vor allem auf der Backhandseite hatte er enorm viele Fehler – auch sehr viel Rahmenbälle. Glücklicherweise hatte er auch noch mal zwei Stück davon, als er für den Match serviert hat. Ich hatte das Gefühl, wenn Domi in die Spiele reinkommt und es Ballwechsel gibt, hat er sehr gute Chancen. Wie bereits erwähnt, in den Ballwechseln war er der Bessere von den beiden.»
... was ihn bei Stricker am meisten beeindruckte
«Wie er auf die zweiten Aufschläge retournierte und wie variabel er gespielt hat. Er hat enorm viel Druck gemacht mit der Vorhand, aber auch die Backhand hat er zwischendurch beschleunigt. Das ist ja nicht unbedingt etwas, was ihn sonst auszeichnet. Das letzte Spiel war bezeichnend, wie das Match gelaufen ist. Der letzte Punkt war ja ein Vorhandwinner von Dominic Stricker.»
«Als er 17 Jahre alt war, habe ich mir ein Spiel von ihm bei den Junioren angeschaut. Da konnte er in wichtigen Momenten die Vorhand nicht mehr Longline spielen. Dann haben wir ihm gesagt, dass er daran arbeiten muss. Mittlerweile hat er eine der besten Vorhandschläge der Welt. Und wenn es dann auch noch kommt beim Matchball gegen Tsitsipas im fünften Satz, dann kannst du es wirklich.»
... ist der Sieg eine Sensation?
«Eine Überraschung, aber keine Sensation. Tsitsipas hat in den letzten Monaten nicht so gut gespielt. Das ist auch nicht seine beste Unterlage. Domi ist ein sehr gefährlicher Spieler. Er spielt ein bisschen anders als viele andere. Man bekommt nicht den gleichen Rhythmus, seine Backhand bleibt sehr flach und das liegt Tsitsipas überhaupt nicht. Darum hatte ich schon das Gefühl, dass das eine enge Sache wird. Wichtig war vor allem auch der Gewinn des ersten Satzes.»
... wie weit kann Stricker noch kommen?
«Es gibt keinen Grund, jetzt aufzuhören. Im Turnier war er ja schon einmal praktisch draussen in der Qualifikation und musste einen Matchball abwehren. Jetzt hat Tsitsipas für den Match serviert. Er hätte also schon zweimal draussen sein können – vielleicht ist es einfach sein Turnier, seine Woche. Aber das hat er sich auch verdient. Er spielt richtig gut. Diesen Sieg müsste ihm so viel Selbstvertrauen geben, dass er im nächsten Match – egal gegen welchen Gegner – rausläuft und weiss: ‹Ich bin zumindest ebenbürtig.»›
... Stricker wird nächste Woche nahe an die Top 100 der Weltrangliste vorstossen. Wie stehen seine Aussichten?
«Mit seinem Spiel gehört er auch dahin. Er hat in den letzten Monaten ein paar Aussetzer gehabt und hat gegen ein paar Leute verloren, gegen die er nicht unbedingt verlieren sollte. Aber man darf auch nicht vergessen, dass das Männer-Tennis sehr ausgeglichen ist. Wenn er gut spielt, ist er sehr gefährlich, sehr unangenehm für alle, weil er einfach ein wenig anders spielt, zudem ist er noch ein Linkshänder. Es kann sehr gut sein, sofern er noch etwas Selbstvertrauen tanken kann und es im Herbst in die Hallensaison geht und seine Rangierung hoch genug ist, dass er oben mitspielen kann – und auch dort äusserst gefährlich sein könnte.»