Für den Viertelfinal-Kracher gegen Novak Djokovic gilt French-Open-Rekordsieger Rafael Nadal im eigenen Wohnzimmer als Aussenseiter. Einmal mehr belehrt er die Experten aber eines besseren.
«Vielleicht ist es mein letztes Spiel in Roland Garros und das würde ich gerne tagsüber bestreiten.» Mit dieser Aussage lässt Rafael Nadal vor dem Viertelfinal-Duell in Paris mit Novak Djokovic aufhorchen und durchblicken, dass ihm die langjährigen Fussprobleme nach wie vor arg zu schaffen machen. «Vor gut zwei Wochen wusste ich nicht einmal, ob ich hier spielen kann», macht der 35-Jährige klar.
Auf dem Court ist Nadal am Dienstagabend dann aber davon nicht viel anzumerken. Wie die Feuerwehr legt der 13-fache French-Open-Champion los, obwohl sein Wunsch nach einer frühen Spielansetzung tagsüber nicht erhört wird. Erst kurz vor 21 Uhr Ortszeit betreten die beiden Rivalen den Court Philippe-Chatrier, rund 70 Minuten später führt Nadal mit Satz- und Breakvorsprung. Erst dann kommt Favorit Djokovic überhaupt so richtig in die Partie.
Djokovic: «Nadal hat das schon oft getan»
Hat ihn Nadals starke Gegenwehr etwa auf dem falschen Fuss erwischt? «Nein, ich bin nicht überrascht», will der Serbe davon nichts wissen. «Es ist nicht das erste Mal, dass er ein paar Tage, nachdem er verletzt ist und kaum laufen kann, 100 Prozent fit auf den Court kommt. Er hat das schon oft getan in seiner Karriere.» Und doch ist Nadals unbändiger Kampfgeist immer wieder faszinierend.
Als die Partie nach dem Verlust des zweiten Satzes, den Nadal trotz zwischenzeitlicher 3:0-Führung und zwei Breaks Vorsprung noch hergibt, zu kippen droht, tritt der Spanier nach einer kurzen Pause in der Garderobe wie verwandelt auf. Während er den dritten Satz schnell und mit 6:2 deutlich gewinnt, muss er im vierten Umgang gar Satzbälle abwehren und ein Break aufholen, um das Match wenig später im Tiebreak mit einer krachenden Rückhand zu beenden.
Im 59. Duell der beiden Ausnahmekönner verkürzt Nadal damit auf 29:30 Siege. Auf Sand allerdings hat er mit einer Bilanz von 20:8 klar die Nase vorne. «Wir haben eine grosse Geschichte zusammen. Es ist immer speziell, gegen Novak zu spielen», sagt Nadal nach dem 110. Sieg in seinem insgesamt 113. Spiel in Roland Garros. «Eine sehr emotionale Nacht für mich. Dafür spiele ich immer noch. Aber es ist nur das Viertelfinale, ich habe noch nichts gewonnen. Ich sehe meine Chance, in zwei Tagen zurück auf dem Court zu sein. Und ein weiteres Halbfinale in Roland Garros zu spielen, bedeutet mir viel.»
Die ungewisse Zukunft
Insbesondere weil Nadal jüngst erneut eine schwierige Phase durchmacht, geniesst der Vorstoss unter die letzten Vier in der französischen Hauptstadt hohen Stellenwert. «Ich wurde emotional, weil die letzten dreieinhalb Monate für mich nicht einfach waren. Aber ich werde nicht mehr über all die Dinge sprechen, die ich durchmachen musste. Ich muss weitermachen, ich kann nur sagen: Es waren keine drei lustigen Monate.»
In Paris kann Nadal auf die Hilfe eines mitgereisten Arztes zählen. Aber auch auf grosse Unterstützung der Fans. «Das Publikum war unglaublich, seit dem Beginn des Turniers. Wahrscheinlich wissen sie, dass ich nicht mehr viele Male hier sein werde», scherzt der 21-fache Grand-Slam-Sieger. «Diese Unterstützung am speziellsten Ort meiner Tennis-Karriere zu spüren, ist schwierig zu beschreiben. Ich kann den Leuten in Paris nicht genug danken, es war eine dieser unvergesslichen Nächte.»
Wer weiss, wie viele solche Nächte Nadal seinen Fans noch schenken kann. «Ich weiss nicht, was nach diesem Turnier passiert. Ich habe, was ich habe an meinem Fuss», betont Nadal und unterstreicht mit deutlich ernsterer Miene: «Wenn wir es nicht schaffen, eine Verbesserung oder eine Lösung zu finden, wird es super schwierig für mich. Ich geniesse jeden Tag, an dem ich die Chance habe, hier zu sein – ohne zu viel darüber nachzudenken, was in Zukunft sein könnte. Ich werde natürlich weiterkämpfen, um eine Lösung zu finden. Aber für den Moment haben wir keine Lösung.»