Laver Cup Leconte: «Monsieur Piqué hat einen schrecklichen Fehler gemacht»

Von Chris Geiger, Genf

19.9.2019

Ist vom Format des Laver Cup begeistert: Henri Leconte.
Ist vom Format des Laver Cup begeistert: Henri Leconte.
Bild: Getty

Der ehemalige Weltklasse-Spieler Henri Leconte zeigt sich im Interview mit «Bluewin» vom Laver Cup begeistert und erwartet in Genf ein Spektakel. Der Franzose erklärt ausserdem, wie der Davis Cup seine Seele verlor.

Henri Leconte gehört in den 80er-Jahren weltweit zu den besten Tennisspielern und bringt es in der Weltrangliste bis auf Platz 5 (1986). Bis zu seinem Rücktritt 1996 gewinnt der Franzose neun Einzel- und zehn Doppeltitel, und weil der Linkshänder auch in wichtigen Partien durch seine Mimik und Gestik immer wieder für viel Unterhaltung beim Publikum sorgt, wird er auch als «der geniale Clown» bezeichnet. Im Interview mit «Bluewin» spricht der heute 56-Jährige über das begeisternde Format des Laver Cup, über die Favoritenrolle vor der dritten Austragung in Genf und über den Bedeutungsverlust des Davis Cup.



Henri Leconte, was halten Sie vom Laver Cup?

Das ist ein unglaubliches Konzept. Roger Federer hatte eine aussergewöhnliche Idee, eine Art Ryder Cup des Tennis kreieren zu wollen. Es ist fabelhaft, wie enthusiastisch er diese Veranstaltung in Prag, Chicago und jetzt hier in Genf auf die Beine stellte. Mit der Schaffung eines dreitägigen «Turniers» zeigt der Laver Cup, dass Tennis auch anders gespielt werden kann. Dieser Sport kann dynamischer und viel schneller sein als ein Grand-Slam-Turnier. Daraus resultiert eine weitere Vision des Welttennis. Das finde ich aussergewöhnlich.

Die ATP hat beschlossen, den Laver Cup in ihren Kalender aufzunehmen. Ein guter Entscheid?

Ja, komplett. Zuerst war es eher wie eine Exhibition, jetzt hat es sich schnell zu einem wichtigen Event im ATP-Kalender entwickelt. Aber der Laver Cup unterscheidet sich völlig von Grand Slams oder klassischen Turnieren, die von der ATP organisiert werden, da er im Team gespielt wird.

Wie Roger und Rafa – plötzlich verbünden sich die grössten Rivalen. Das ist das Schöne, dass diesem Event eine ganz andere Dimension verleiht. Ursprünglich war Tennis eine Einzelsportart. Hier beim Laver Cup wird es zum Teamsport. Das finde ich wirklich fabelhaft, ich hätte gerne in diesem Zeitalter gespielt.

Auf dem Papier scheint das Team Europa in Genf der Favorit auf den Sieg zu sein. Wie schätzen Sie die Kräfteverhältnisse ein?

Das «Team Welt», angeführt von den Amerikanern, besteht hauptsächlich aus «Shotmakers». Das heisst, sie sind kraftvoll und eher Serve-and-Volley-Spezialisten, die sich auf 2–3 Schläge verlassen, um den Punkt zu machen. Es wird also schnell gehen und interessant werden. Auf dem Papier stimmt es, dass ein Ungleichgewicht herrscht. Du hast Roger und Rafa auf einer Seite – aber Vorsicht: Auf der anderen Seiten gibt es Spieler, die sie schlagen können. Ich hoffe, es wird ein echter Kampf. Wie auch immer, im Tennis weiss man bis zum letzten Punkt nie, was passiert. Das haben wir auch in Wimbledon mit Roger gesehen.

Federer sagt, dass er vor allem für die Doppel auf der Hut sein muss. Ist das «Team Welt» für diese Spiele zu favorisieren?

Es stimmt, dass sie Spieler haben, die etwas mehr auf das Doppel spezialisiert sind, wie zum Beispiel Jack Sock. Sie haben jedoch kein echtes Doppel-Team, das über das ganze Jahr zusammen spielt. Sie müssen sich also auch anpassen. Ein entscheidendes Kriterium wird auch sein, sich gut von den Einzeln erholen zu können.

Denken Sie, die Spieler werden alles geben und kämpfen wie an einem Grand-Slam-Turnier?

Natürlich werden sie alles geben. Die Atmosphäre und Ambiance, die die Spieler erwartet, wird wirklich etwas Spezielles sein. Es wird jedoch nicht wie ein Grand-Slam-Turnier sein, weil diese Einzelwettbewerbe sind. Aber der Wunsch, zu gewinnen, wird natürlich vorhanden sein, denn die Spieler verteidigen die Farben Europas oder der Welt. Wir werden fabelhafte und spektakuläre Spiele zu sehen bekommen.

Abschliessend noch ein Wort zu der Fülle an solchen Teamwettbewerben. Zusätzlich zum Laver Cup gibt es auch noch den Davis Cup und den ATP Cup, dessen erste Auflage im Januar 2020 in Australien stattfindet. Gibt es nicht zu viele solche Events?

Es ist klar, dass der Laver Cup den Davis Cup in den Schatten stellt. Aber letzterer verlor durch die Formatänderung seine Seele – Monsieur Piqué hat einen schrecklichen Fehler gemacht – und wich irgendwie von der ATP ab. Diese Gelegenheit nutzte Roger, um den Laver Cup im ATP-Kalender zu etablieren. Als der Davis Cup noch in seinem ursprünglichen Format existierte, war der Laver Cup nicht mehr als eine Exhibition.

Was den ATP Cup betrifft: Das ist etwas anderes. Zuerst einmal ersetzt er den Hopman Cup. Dann findet das Turnier Anfang Jahr in Australien statt, wo die Spieler sowieso hinreisen wegen der Australian Open. Deshalb hat der ATP Cup weniger Auswirkungen auf den Kalender. Ausserdem erfolgt die Selektion aufgrund des ATP-Rankings.

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