Pionierin Ons Jabeur Von der tunesischen Lachnummer zum Idol

ck, sda

4.7.2022 - 16:28

Hat Spass auf dem Platz und macht den Menschen Freude: die arabische und afrikanische Pionierin Ons Jabeur in Wimbledon.
Hat Spass auf dem Platz und macht den Menschen Freude: die arabische und afrikanische Pionierin Ons Jabeur in Wimbledon.
Bild: Keystone

Ons Jabeur ist es sich gewöhnt, die Erste zu sein: erste Turniersiegerin aus der arabischen Welt, erste Afrikanerin als Nummer 2 der Welt. Die Tunesierin geniesst diese hart erarbeitete Rolle.

ck, sda

Ons Jabeur machte nie einen Hehl aus ihrem Ziel: eine der besten Tennisspielerinnen der Welt zu werden. So weit so gut. In ihrer Heimat Tunesien stand ein Mädchen mit dieser Ambition aber ziemlich alleine da. «Man nannte mich ein Grossmaul, weil ich sagte, ich wolle Grand Slams gewinnen», erinnert sie sich. «Und sie lachten mich aus.» Heute lacht niemand mehr über die nur 1,67 m grosse Frau.

Die 27-jährige Tunesierin ist seit ihrem Turniersieg vor zwei Wochen in Berlin die Nummer 2 der Welt und steht zum dritten Mal nach dem Australian Open 2020 und Wimbledon vor einem Jahr im Viertelfinal eines Grand-Slam-Turniers. Zur Erfüllung ihres grossen Traums fehlt nicht mehr viel. In Jabeurs Tableauhälfte sind ansonsten nur noch Aussenseiterinnen ausserhalb der Top 50 verblieben, auf Rasen ist sie seit neun Partien ungeschlagen und in Wimbledon hat sie in diesem Jahr noch keinen Satz abgegeben.

Bewunderte Pionierin

Seit ein paar Jahren hat sich Jabeur an viele «erste Male» gewöhnt – und sie ist gleich doppelt eine Pionierin. Jabeur war die erste arabische Frau in einem Grand-Slam-Viertelfinal, die zuvor beste Araberin in der Weltrangliste war ihre Landsfrau und Mentorin Selima Sfar – als Nummer 75. Und nie zuvor war eine Spielerin vom afrikanischen Kontinent die Nummer 2 der Welt.

Diese Rolle als Vorbild für viele Frauen und Mädchen aus ihrer Region belastet Jabeur nicht, es beflügelt sie. «Ich bin sehr, sehr stolz auf das, was ich erreicht habe», betont sie. «Manchmal, wenn wir in Afrika Fed Cup spielen, kommen Fans und andere Spielerinnen, wollen Fotos machen und fragen mich, wie ich das erreicht habe. Es motiviert mich sehr, dass ich für sie eine Inspiration sein kann.» Sie hoffe, dass nun mehr afrikanische Mädchen im Tennis Erfolg haben werden.

100 Prozent tunesisch

Jabeurs Erfolg, und das ist ihr wichtig zu betonen, ist «zu 100 Prozent tunesisch». Sie verliess ihre Heimat nicht, um in einer der grossen Tennisakademien in den USA, Frankreich oder Spanien zu trainieren. Mit 12 Jahren wechselte sie aus der Hafenstadt Sousse ins knapp zwei Fahrstunden entfernte Tunis, wo sie heute noch lebt. «Ich fühlte und fühle mich zuhause einfach am wohlsten», betont sie. Spätestens mit dem Juniorensieg am French Open 2011 – natürlich als erste Araberin und Afrikanerin – erhielt sie die Gewissheit, dass der Weg richtig war.

Dass sie dann ein paar Jahre brauchte, um sich bei den Profis durchzusetzen, hat ironischerweise mit ihrem grossen Talent und Ballgefühl zu tun. Ähnlich wie Roger Federer hat sie ein immenses Arsenal an Waffen, kann den Ball enorm beschleunigen, verfügt über einen giftigen Slice und wunderbare Stoppbälle. Da die richtige Mischung zu finden, war nicht einfach. Dafür ist der Roddick-Fan nun auf Rasen ebenso gefährlich wie auf dem vertrauten Sand ihrer Jugend. Und mit ihrem variationsreichen Spiel inmitten der vielen, eher monotonen Grundlinienspielerinnen auch da für viele ein Vorbild.

Viele «erste Male» bleiben nicht mehr übrig. Ein Grand-Slam-Titel wäre aber die ultimative Krönung einer bereits jetzt ausserordentlichen Karriere.