Kommentar Rücktritt? Wir sollten es besser wissen

Von René Weder

15.7.2019

Wird ein paar Wochen von der Bildfläche verschwinden und dann wieder angreifen: Roger Federer.
Wird ein paar Wochen von der Bildfläche verschwinden und dann wieder angreifen: Roger Federer.
Bild: Keystone

Natürlich schmerzt die Niederlage im Wimbledon-Final gegen Novak Djokovic. Selbstverständlich ist es zermürbend, nach 2014 und 2015 an selber Stelle und zum selben Zeitpunkt des Turniers demselben Spieler zu unterliegen. Zweifelsfrei geht man da nicht einfach so zum Tagesgeschäft über. Und trotzdem dürfen sich Federer-Fans auf weitere Siege ihres Idols freuen, sofern sich der 20-fache Major-Sieger nicht verletzt. Ein Kommentar.

Auch wenn man sich dem Thema zu verweigern versuchte: Am Montagmorgen gab es keine Möglichkeit, den Nachwehen des Wimbledon-Finals zu entkommen. Im Pendlerverkehr entdeckte man das eine oder andere resignierte Gesicht. Lethargie mischte sich unter die ansonsten zur Ferienzeit lockere Ambience in Tram, Bus und Zug … die klassischen Pendler-Schnuten einmal ausgenommen.

«Eine Katastrophe» meinte etwa ein Mann gesetzteren Alters im Gespräch mit einem Kollegen am Perron des Zürcher Hauptbahnhofs und fügte kopfschüttelnd an: «Wie konnte das nur schiefgehen?» Eine Frage, die sich am frühen Sonntagabend die halbe Nation gestellt haben dürfte.

Waren Rücktrittsforderungen an die Adresse Federers vor zehn Jahren nicht nur deplatziert, sondern eben noch salonfähig, so hat der Wind seit einigen Jahren endgültig gedreht. Nach dem märchenhaften Comeback 2017 und dem Sieg an den Australian Open urteilen heute auch die letzten Nörgeler differenzierter über Federers Status.

Federer verbindet Generationen

Es geht nicht mehr einzig darum, dass der Jahrhundertsportler wie in den dominierenden Jahren zwischen 2004 und 2007 alles gewinnt, sondern um das Anerkennen der Tatsache, dass wir inzwischen Zeitzeugen einer viel grösseren Geschichte geworden sind. Man fürchtet den Tag, an dem Federer Schluss macht.

Auch am Sonntag mehrten sich kurzfristig die Stimmen, dass der Baselbieter nach einem allfälligen neunten Sieg in Wimbledon die Rackets an den Nagel hängen könnte. Geäussert wurde der Verdacht indessen nicht mit einem unterschwelligen «jetzt isch dänn guet», sondern mit einem besorgten Unterton.

Rückblickend halten wir fest, dass Federer auch im Falle eines Sieges an der Church Road nicht zurückgetreten wäre. Es wird Zeit brauchen, diese Niederlage zu verarbeiten. Aber Federer ist auch im Alter von bald 38 Jahren körperlich und mental bereit, noch Siege zu feiern. Nur darum geht es längst nicht mehr einzig und allein.

Jetzt, da Federer-Spiele Generationen vor dem Bildschirm versammeln und vom Teenager bis zum Grossvater alle in Atem halten wie einst der Grosse Muhammad Ali, ist klar: Federer ist Teil des Lebens vieler Sportfans. Es fühlt sich an, als wäre er immer da. Egal was um uns herum passiert. Das ist ein gutes Gefühl – und man möchte es nicht vermissen.

Zurück zur StartseiteZurück zum Sport