Das bescheidene Abschneiden der Schweizer*innen in Wimbledon ist für Severin Lüthi nicht ein Rückschlag. Der Davis-Cup-Captain ist vielmehr stolz auf die Breite, die die Schweiz im Spitzentennis bietet.
Erstmals seit neun Jahren ist die Schweiz in der 3. Runde von Wimbledon nicht mehr vertreten. Severin Lüthi sieht die Sache aber von der positiven Seite, schliesslich seien viele aus der Heimat (Anm.d.Red.: insgesamt 20 Schweizer Profis und Junior*innen) in London am Start gewesen. «Die Leute, die dann aus der Qualifikation kommen, haben dann schon eine hohe Hürde, um weiterzukommen», betont er. Nichtsdestotrotz habe jeder Teilnehmer realistische Chancen gehabt, Matches zu gewinnen. Heuer sei es halt ein wenig blöd gelaufen.
«Für mich ist die Breite aber sowieso fast wichtiger. Wir sind halt ein wenig verwöhnt, aber wir können nicht erwarten, dass man bei jedem Grand-Slam-Turnier ein Halbfinalist oder Finalist stellt.» An den mangelnden Rasenplätzen hierzulande will Lüthi das schwache Abschneiden nicht festmachen. «Alexander Ritschard hat zum Beispiel noch nie auf Rasen gespielt und brauchte halt eine Weile, um zu wissen, wie man am besten spielt. Auch Marc-Andrea Hüsler hat ebenfalls noch nicht viele Erfahrungen auf Rasen sammeln können», so Lüthi.
Erfolge werden mehr Ausnahme als Regel
Mit Roger Federer und Stan Wawrinka war die Schweiz in den letzten Jahren schon etwas verwöhnt mit tollen Resultaten. Lüthi ergänzt: «Und Martina Hingis sowie Patty Schnyder – insgesamt hatten wir so stets viele Spielerinnen und Spieler, die sehr weit kamen.»
Die Hoffnung, dass Schweizer Exploits aber auch in Zukunft gelingen, solle man nicht voreilig begraben. Das sehe man beispielsweise auch beim letztjährigen Viertelfinal-Vorstoss von Viktorija Golubic oder Belinda Bencic, die mit ihrer Vorgeschichte in Berlin keine einfache Situation gehabt hätte, so Lüthi. Sein Fazit: «Solche Beispiele zeigen, wie schwierig solche Leistungen sind. Es ist also mehr eine Ausnahme, wenn jemand im Halbfinal oder Final ist, als die Regel.»
Ist die Zukunft bei den Frauen oder Männern rosiger?
Ob bei den Herren oder bei den Damen mittelfristig mit mehr Erfolg zu rechnen sei, sei schwierig abzuschätzen. «Ich habe mich in der Vergangenheit schon mehrfach geirrt», gesteht der Berner. «Momentan scheinen die Frauen besser besetzt zu sein, doch auch die jungen Talente um Dominic Stricker, Leandro Riedi oder Jérôme Kym geben Anlass zur Hoffnung.»
Was ihn freue, sei vor allem die Breite im Schweizer Spitzentennis. Bei den Männern klaffte neben Federer und Wawrinka lange ein grosses Loch. Höchstens Henri Laaksonen sei noch hervorgestochen. Das sieht jetzt aber anders aus. «Die Ausreisser nach oben kann man nicht kalkulieren. Es ist wichtig, eine gute Basis zu legen. Dann kann man auch darauf hoffen, dass einer mal den ganz grossen Exploit schafft.»
Einer, der dieses Gefühl kennt, ist sein Schützling Roger Federer, der seit Längerem auf der Tour und von den Fans vermisst wird. «Er fehlt nicht nur der Schweiz, sondern dem Welt-Tennis. Am Schluss muss man aber Freude haben, an denjenigen, die gerade spielen», hält der langjährige Davis-Cup-Captain fest.