Der Unfassbare Trainergilde im Kreuzfeuer – Kyrgios haut mal wieder einen raus

Patrick Lämmle

10.6.2020

Nick Kyrgios bleibt ein Rätsel.
Nick Kyrgios bleibt ein Rätsel.
Bild: Keystone

Nick Kyrgios hat in diesem Jahr bewiesen, dass er sich in keine Schublade drücken lässt. Aufgefallen ist er Anfang Jahr durch soziales Engagement, inzwischen schraubt er wieder an seinem Bad-Boy-Image.

Wir erinnern uns, wie Nick Kyrgios Anfang Jahr eine Welle der Solidarität für die Opfer der Buschbrände in Australien ausgelöst hat. Auch zu Beginn der Corona-Krise hat der 25-Jährige für positive Schlagzeilen gesorgt. In den sozialen Medien kündigte er an, dass er für bedürftige Personen höchstpersönlich Einkäufe erledigen werde. Niemand solle mit leerem Magen ins Bett gehen. «Bitte habe keine Angst und sei nicht verlegen, mir eine Nachricht zu schreiben. Es würde mich sehr glücklich machen, was immer ich habe, mit dir zu teilen. Auch wenn es nur eine Packung Nudeln ist, ein Brot oder Milch», war auf Instagram zu lesen. Kyrgios schien auf bestem Weg, sein Bad-Boy-Image abzulegen.

Von einem Lebenswandel kann allerdings keine Rede sein. Jüngst fiel Kyrgios wieder vermehrt als Provokateur auf. So hat er sich gegen Federers Fusionspläne gestellt und Thiem nach dessen umstrittenen Aussagen rund um Hilfen für schlechter klassierte Tennisspieler die Leviten gelesen. Jüngst beichtete er, dass er Nadal einst in verkatertem Zustand geschlagen habe. Dass er gerne auch mal etwas tiefer ins Glas schaut, war spätestens seit dem Instagram-Talk mit Andy Murray kein Geheimnis mehr. In angetrunkenem Zustand zog er über Konkurrenten her.

Kürzlich beantwortete er während einer Runde «Fortnite» Fragen von Fans. Ob er schon einmal mit einem Fan geschlafen habe, will ein Follower wissen. Der Australier ist um eine Antwort nicht verlegen: «Ganz im Ernst: Wenn ich in keiner Beziehung bin, passiert es jede Woche.» In einer Beziehung ist er nicht mehr, auch das ist so eine Kyrgios-Lockdown-Episode.

«Ich glaube einfach nicht, dass ein Coach für mich bereit ist»

Und weil derzeit immer noch keine Ernstkämpfe stattfinden, bleibt es nicht die letzte Episode mit Kyrgios in der Hauptrolle. In einem Podcast mit seinem Kumpel Elliot Loney gibt er preis, dass er nicht viel von Tennistrainern hält. «Ich denke, einen Trainer zu engagieren, hat etwas von Geldverschwendung, weil sie ohnehin zu hoch bezahlt werden», meint die Weltnummer 40. Und: «Ich glaube einfach nicht, dass ein Coach für mich bereit ist. Und das möchte ich ihm ersparen, weil es sonst ein Alptraum wäre.» Er habe auch gar keine Lust, auf Ratschläge zu hören.

Das mag bei manch einem Leser Kopfschütteln auslösen, denn Kyrgios, so hat man das Gefühl, hätte das Potenzial, ganz oben mitzumischen. Doch dafür scheint es ihm schlichtweg an Professionalität zu mangeln. Davon zeugen auch seine Aussagen, dass sein Körper kaum bereit wäre, bei einem Grand-Slam-Turnier sieben länger dauernde Matches durchzuhalten. Das scheint ihn aber nicht zu belasten: «Ich möchte es einfach geniessen. Ich glaube, dass der Sport ein wenig zu ernst genommen wird.»

Ob Kyrgios nun ein gutes Vorbild ist oder nicht, darüber lässt sich streiten. Als Profisportler ist er es mit seiner «Leck-mich-Attitüde» wohl kaum. Und doch könnte sich manch einer eine Scheibe von Kyrgios abschneiden. Wie er den Opfern der Buschbrände und Corona-Krise die Hand geboten hat, das ist aller Ehren wert. Und während man bei anderen Spielern manchmal das Gefühl nicht loswird, dass sie Hilfsaktionen bloss unterstützen, um ihr Image aufzupolieren, kauft man Kyrgios ab, dass er in solchen Momenten bloss seinem Herzen folgt. Denn anderen zu gefallen, das war noch nie seine Absicht. So viel ist klar: Das Gesamtpaket Kyrgios bleibt spannend – und er böte jede Menge Stoff für eine spannende Sportdokumentation …

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