Die Vorfreude auf das Australian Open in Melbourne ist aufgrund der heftigen Buschbrände in Down Under gedämpft. Roger Federer, Stan Wawrinka und Belinda Bencic steigen als Aussenseiter ins Turnier.
Das Australian Open trägt den Übernamen «Happy Slam». Doch über dem ersten Grand-Slam-Turnier des Jahres hängen dunkle Wolken. Die Bilder der Opfer der seit Beginn des australischen Sommers wütenden Buschfeuer gingen um die Welt, die Folgen davon haben auch Melbourne erreicht. Smog und eine miserable Luftqualität sorgten für Verzögerungen im Qualifikationsturnier und für einen ersten Skandal, ehe das Turnier überhaupt so richtig begann.
Trotz hoher Luftverschmutzung hielten die Organisatoren vorerst an ihrem Programm fest, was einen medialen Shitstorm zur Folge hatte. Dank des Regens trat zwischenzeitlich Besserung ein, das Problem ist aber nicht ausgestanden. Mittlerweile ist klar, überschreitet der Luftqualitätsindex den Grenzwert von 200 wird der Spielbetrieb unterbrochen oder bei geschlossenem Dach fortgesetzt.
Leid und Elend hin, Luftverschmutzung her, spätestens seit den Olympischen Spielen in München 1972, als IOC-Präsident Avery Brundage nach dem Geiseldrama am Flughafen Fürstenfeldbruck mit mehr als einem Dutzend Todesopfer den Satz «The Games must go on» sprach, hat der Sport seine Unschuld verloren. Auch in Melbourne geht die Show weiter.
Federers Nebenschauplätze
Zu den Protagonisten des Events, bei dem gegen 50 Millionen Franken Preisgeld ausgeschüttet werden, gehört weiter Roger Federer. Der sechsfache Turniersieger – zuletzt gewann er in Melbourne 2017 und 2018 – tritt erstmals seit sieben Jahren ohne Matchpraxis zum ersten Highlight der Saison an, wo er in der 1. Runde auf den Amerikaner Steve Johnson (ATP 81) trifft.
Obwohl der 38-jährige Baselbieter seit den ATP Finals keine offizielle Partie bestritt, geriet er in den letzten Wochen in die Schlagzeilen. Seine lukrativen Exhibitions im November in Südamerika sowie kurz vor dem Jahreswechsel in China sorgten nicht nur für Wohlwollen. Aufgrund seines Sponsors Credit Suisse geriet der erfolgreichste Spieler der Geschichte auch ins Visier der jugendlichen Klimaaktivisten. In Melbourne tat Federer noch einmal seine Sympathie und Respekt für die Klimabewegung kund und versprach, den Dialog mit seinen Partnern auch bei diesem Thema vermehrt zu suchen.
Der zweite Schweizer Trumpf im Männer-Tableau ist Stan Wawrinka (ATP 15), dem sich am Dienstag mit dem Bosnier Damir Dzumhur (ATP 92) eine knifflige Startaufgabe stellt. Der 34-jährige Waadtländer deutete letzte Saison an, dass er sich seiner früheren Stärke weiter genähert hat. An den Major-Turnieren in Paris und New York erreichte er die Viertelfinals, in der Weltrangliste kehrte der dreifache Grand-Slam-Sieger in die Top 15 zurück. «Stan und ich waren uns aber einig, es wäre noch mehr dringelegen», sagte Trainer Magnus Norman.
Nadal jagt Federers Rekord
Als Favoriten starten Rafael Nadal und Rekordsieger Novak Djokovic (7 Titel), der mögliche Halbfinal-Gegner Federers, in das Turnier. Die beiden drückten dem erstmals ausgetragenen ATP Cup den Stempel auf und sorgten mit ihrem Duell im Final in Sydney für das erste spielerische Highlight der Saison. Während Djokovic seinen achten Titel in Melbourne anstrebt, den 17. an einem Major-Event, könnte Nadal mit seinem 20. Grand-Slam-Titel mit Federer gleichziehen.
Bei den Frauen kann sich ein halbes Dutzend Spielerinnen berechtigte Hoffnungen auf den Turniersieg machen. Seit dem Ende der Dominanz von Serena Williams aufgrund ihrer Babypause gewannen in jedem Jahr vier verschiedene Spielerinnen Grand Slams. Über allem steht auch in Melbourne die Frage, ob Williams es schafft, den Rekord von Margaret Court von 24 Major-Titeln endlich zu egalisieren.
Bencics holpriger Saisonstart
Wie Federer und Wawrinka startet auch Belinda Bencic als Aussenseiterin in das Turnier. Für die Nummer 6 der Setzliste verlief der Start in die Saison holprig. Nach dem Erstrunden-Out am Turnier in Shenzhen scheiterte die 22-Jährige aus Wollerau in Adelaide in den Viertelfinals. «Ich brauche jeweils ein paar Matches, um in den Januar zu kommen. Ich bin keine Schnellstarterin», so Bencic. Am Dienstag trifft sie in der 1. Runde auf die Slowakin Anna Karolina Schmiedlova (WTA 202).
Mit geringeren Ambitionen steigen Jil Teichmann (WTA 67) und Viktorija Golubic (WTA 78) bereits in der Nacht auf Montag ins Rennen. Für beide wäre jeder Sieg ein Erfolg – und eine Premiere. Keiner der beiden gelang in Melbourne bislang ein Sieg im Haupttableau. Mit der Russin Jekaterina Alexandrowa (gegen Teichmann) und der Chinesin Zhu Lin (gegen Golubic) bekamen beide zumindest auf dem Papier keine unlösbare Aufgabe vorgesetzt.
SDA