Langer Leidensweg Vor drei Jahren hatte Del Potro Depressionen, heute steht er im US-Open-Final

Aus New York: Jan Arnet

9.9.2018

Juan Martin Del Potro spielt um seinen zweiten US-Open-Titel.
Juan Martin Del Potro spielt um seinen zweiten US-Open-Titel.
Keystone

Juan Martin Del Potro steht neun Jahre nach dem grössten Sieg seiner Karriere wieder im US-Open-Final. Unglaublich, wenn man bedenkt, was der «Turm von Tandil» durchmachen musste.

Es ist der 14. September 2009. Juan Martin Del Potro, gerade mal 20 Jahre alt, gewinnt seinen ersten Grand-Slam-Final. Er bezwingt Roger Federer, den Mann, der zuletzt fünfmal in New York triumphiert hatte, in fünf Sätzen. Für viele ist klar: Dieser grossgewachsene Argentinier wird bald der neue Dominator im Herrentennis sein.

Doch es kommt anders. Die Probleme mit seinen Handgelenken zwingen ihn nicht nur lange Zeit auszusetzen, sondern auch sein Spiel umzustellen. 2010 muss sich der «Turm von Tandil» am rechten Handgelenk operieren lassen, zwischen 2014 und 2015 gleich dreimal innert 15 Monaten am linken. Selbsterklärend, dass Del Potro viele Turniere verpasst. Im März 2015 wagt Delpo in Miami nach über einem Jahr Pause sein Comeback – keine gute Idee, wie sich herausstellt. Er hat grosse Schmerzen und weiss, dass er sich noch einmal unters Messer legen muss, wenn er den Tennis-Traum am Leben erhalten will.

«Das war der schlimmste Moment meiner Karriere. Ich war kurz davor, alles aufzugeben, weil ich die Probleme mit dem Handgelenk nicht in den Griff bekam», sagt Del Potro nach seinem Final-Einzug am Freitag. «Ich war auch einige Monate depressiv. Ich hatte keine Chance, mich besser zu fühlen.»

Es geht stetig bergauf

Doch die Leidenschaft zum Sport ist am Ende zu gross, um alles hinzuwerfen. Del Potro wird ein weiteres Mal operiert – und seither geht es Schritt für Schritt wieder aufwärts. 2016 feiert er sein umjubeltes Comeback, gewinnt bei den Olympischen Spielen in Rio die Silbermedaille und als Leader der argentinischen Mannschaft den Davis Cup. 2017 erreicht er an den US Open die Halbfinals, im März dieses Jahres gewinnt er in Indian Wells erstmals überhaupt ein Masters-1000-Turnier. Und heute hat die Weltnummer 3 in New York die Möglichkeit auf den zweiten Grand-Slam-Titel.

Wer Del Potros Spiel beobachtet, merkt schnell: Der Paradeschlag ist die Vorhand. Wohl kein anderer Spieler auf der Tour schlägt den Ball mitten im Ballwechsel wuchtiger übers Netz als Delpo. Auch seine Rückhand war mal richtig krachend. Die Handgelenk-Probleme zwangen ihn aber, sein Spiel umzustellen. Statt beidhändig voll durchzuziehen, spielt der 1,98-Meter-Hüne die Rückhand meistens einhändig mit Slice.

Auch wenn sich Del Potro längst an die Umstellungen gewöhnt hat, macht sich die hartnäckige Verletzung immer wieder bemerkbar. Er verbringe pro Tag bis zu drei Stunden damit, sein linkes Handgelenk zu dehnen und zu stabilisieren, um die Trainings und die Matches schmerzfrei bestreiten zu können, verriet er einst. Doch Delpo scheint dies ziemlich egal zu sein: «Nach allem, was ich erlebt habe, geniesse ich es einfach, Tennis zu spielen», sagt er heute.

Heute Sonntag (22 Uhr Schweizer Zeit – live auf Bluewin) hat er im US-Open-Final gegen Novak Djokovic die Chance, nach 2009 wieder eine Grand-Slam-Trophäe in die Höhe zu stemmen. Man kann erahnen, wie viel dieser Sieg Del Potro nach dem langen Leidensweg bedeuten würde. Auch wenn er selbst sagt: «Wenn ich gewinne, ist das grossartig. Wenn nicht, habe ich ein grossartiges Turnier gespielt und würde dennoch glücklich sein.»

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