Siebeneinhalb Monate war der Betrieb in der Major League Baseball wegen eines Streits um Spielergehälter ausgesetzt.
Heute vor 25 Jahren endete der längste Streik in der Geschichte der Liga, der nicht nur dem Sportbusiness zu schaffen machte.
Der Baseball in den USA ruht auch jetzt. In Zeiten des Coronavirus, das das Land mit aller Härte getroffen hat, ist an das Spiel mit dem Eschenholz-Schläger und den harten Lederbällen nicht zu denken. Der Erreger sorgt für eine traurige Premiere. Zum ersten Mal ruht der Betrieb in der Major League Baseball (MLB) wegen einer äusseren Bedrohung.
Zwei Weltkriege, Rassenunruhen, Wirtschaftskrisen oder Terroranschläge wie jene vom 11. September 2001 hatten es nicht geschafft, die Eliteklasse von Amerikas beliebtestem Sport kleinzukriegen. In New York wurde zehn Tage nach dem Attentat auf das World Trade Center wieder Baseball gespielt. Der Entscheid zur schnellen Wiederaufnahme des Meisterschaftsbetriebs sollte im Big Apple ein Zeichen der wiederkehrenden Normalität sein.
Wann und ob überhaupt die Saison in diesem Jahr startet, steht in den Sternen. Opening Day wäre der vergangene Donnerstag gewesen. So früh wie noch nie hätte die Meisterschaft beginnen sollen. Ende Mai wird als möglicher Termin genannt. Aufgrund der immer unübersichtlicher werdenden Situation und den rasant ansteigenden Zahlen von Infizierten und Todesopfern scheint diese Annahme aber zu optimistisch zu sein.
232 Tage Zwangspause
Die letzte grosse Krise hatte die MLB in den Neunzigerjahren durchgemacht. Der Spielerstreik legte die Liga während über siebeneinhalb Monaten lahm, exakt 232 Tage ging nichts mehr. Der Ausstand hatte am 12. August 1994 begonnen und am 2. April 1995 geendet. In dieser Phase fielen saisonübergreifend 948 Spiele aus, zum ersten Mal überhaupt wurden die World Series, der Playoff-Final im Modus best of 7, nicht ausgetragen.
In den USA, dem Land der Statistiken schlechthin, war der finanzielle Schaden schnell verifiziert. Allein die 33 Tage am Ende der Saison 1994 hatten für die Klubbesitzer zu Einnahmeverlusten von 280 Millionen Dollar gesorgt, die Spieler mussten insgesamt auf 150 Millionen Lohn verzichten. Die Hochrechnungen an Defiziten führten zu weiteren Zahlen. Durch den Ausfall sollen beispielsweise über 15 Millionen Biere und rund 8 Millionen Hot Dogs nicht über den Ladentisch gegangen sein.
Letztere Zahlen können als Scherz abgetan werden. Doch zum Lachen war in jenen Monaten in den USA kaum jemandem. Die Lage war zu ernst, denn Baseball ist für die Amerikaner mehr als ein Sport. Er ist Kulturgut, tief verwurzelt in der Bevölkerung. Baseball gehört zum amerikanischen Selbstverständnis und zur amerikanischen Lebensqualität. Baseball ist das Spiel, das im Frühling und Sommer den Rhythmus vorgibt. Zwischen April und Oktober ist er allgegenwärtig. 162 Spiele umfasst die Regular Season für die 30 Teams. In einer Liga zusammengefasst sind die Mannschaften seit 1875. Die MLB ist 1903 gegründet worden.
Der Streit um Spielerlöhne
Da war dann plötzlich nichts mehr im August 1994. Die Verhandlungen zwischen der Spielergewerkschaft und den Team-Besitzern waren festgefahren, die Ansichten zu unterschiedlich. Die Klub-Eigner hatten geplant, die Jahressaläre der Spieler auf durchschnittlich 1,2 Millionen Dollar festzulegen. Damit wollten sich die Stars der Szene nicht zufrieden geben. Der Streit eskalierte und mündete in den längsten Streik der MLB-Geschichte.
Die verhärteten Fronten liessen vorerst keinen Raum für Kompromisse. Beide Parteien beharrten auf ihrem Standpunkt. Zwischenzeitlich hatten die Klub-Eigentümer ins Auge gefasst, die Meisterschaft mit Nachwuchsspielern zu bestreiten. Die Spieler-Gewerkschaft hatte für diesen Fall mit der Gründung einer unabhängigen Super-Liga gedroht.
Schliesslich beendete die Justiz das für alle Involvierten unbefriedigende Vakuum. Das Berufungsgericht in New York zwang die Team-Oberen, wieder die zuvor geltenden Lohnbedingungen in den Verträgen festzuschreiben. «Die Übereinkunft war für uns keine Kapitulation», sagte Bud Selig, der damalige Vertreter der Klub-Besitzer. «Die Spieler haben angeboten zurückzukommen, und wir haben angenommen.»
Clintons Schlichtungsversuche
Die Krise hatte sich nicht nur über Land und Leute erstreckt. Ihre Ausläufer erreichten auch die Politik und die Regierung und drangen bis ins Weisse Haus vor. Präsident Bill Clinton persönlich hatte sich in diesem Streik der anderen Dimension in die Vermittlungen eingemischt und diplomatisch gewiefte Unterhändler aktiviert.
Wie gross Clintons Einfluss im Schlichtungsverfahren war, bleibe dahingestellt. Für den damals mächtigsten Mann der Welt war wichtiger, dass sein Land wieder zur Normalität zurückkehren konnte. An jenem Sonntag, dem 2. April 1995.
SDA