Vier Jahre nach der Niederlage gegen die Kansas City Chiefs nehmen die San Francisco 49ers den nächsten Anlauf, den Super Bowl zu gewinnen. Ihr grösster Trumpf dafür heisst Christian McCaffrey.
Keine Zeit? blue Sport fasst für dich zusammen
- Runningback Christian McCaffrey trifft mit den San Francisco 49ers im Super Bowl auf die Kansas City Chiefs.
- Der 27-Jährige darf auf die Krönung hoffen. Sein Wechsel vor zwei Jahren von den Carolina Panthers nach San Francisco verlieh seiner Karriere neuen Schwung.
- Er ist der Sohn des ehemaligen Receivers Ed McCaffrey, der dreimal den Super Bowl gewonnen hat.
Als Christian McCaffrey zum Medienanlass das Stadion in Las Vegas betritt, wirkt er neben Spielern wie Arik Armstead, Trent Williams oder George Kittle fast etwas unscheinbar. Sie überragen ihren 1,80 Meter grossen Teamkollegen um 15 bis 20 Zentimeter. Und doch umgibt McCaffrey eine spezielle Aura. Selbst in diesem ruhigen Moment wirkt er, als könnte er augenblicklich mit schnellen und kurzen Schritten lossprinten, würde man ihm bloss einen Ball in die Hand drücken.
McCaffrey sagt, dass er in einer Stadt wie New York problemlos herumspazieren oder den Zug nehmen könne – und dabei kaum angesprochen werde. Doch sobald er das Trikot und den Helm anzieht, wird der Runningback, genannt CMC, zum unverkennbaren Anführer.
Wie es der Positionsname verrät, ist McCaffrey vorab für das Laufspiel verantwortlich – für die Bälle, die getragen statt geworfen werden. Seine Explosivität, seine flinken Wendungen und seine Übersicht sind bei den Gegnern gefürchtet. Deshalb gilt der 27-Jährige im Hinblick auf den Super Bowl vom Sonntag als grosser Hoffnungsträger der San Francisco 49ers, die seit 1994 auf den Titel warten.
Sport liegt in der Familie
Dass jemanden etwas in die Wiege gelegt worden sei, ist eine oft gebrauchte Redewendung, die aber selten so zutrifft wie bei McCaffrey. Er ist der Sohn des ehemaligen Receivers Ed McCaffrey, der dreimal den Super Bowl gewonnen hat. Mutter Lisa spielte an der Stanford University Fussball, deren Vater Dave Sime gewann 1960 Olympia-Silber über 100 Meter. CMC-Onkel Billy war ein Profi-Basketballer. Kurz: Sport war im Haushalt der McCaffreys omnipräsent.
Aufgewachsen ist Christian McCaffrey in Castle Rock, Colorado, das etwas östlich der Rocky Mountains auf gut 1900 Metern liegt. Mit seinen drei Brüdern, einem älteren und zwei jüngeren, ging er auf dem Platz vor der Garage, im Garten oder im Park allen möglichen Aktivitäten nach. Später war er auch in der Schule polysportiv unterwegs, bewies sein Talent unter anderem in der Leichtathletik. Über 100 Meter sei er bis an die Marke von 10,5 Sekunden gekommen, sagte McCaffrey kürzlich in einem Podcast. «Tempo ist für mich das Wichtigste überhaupt.»
Geht es um Football, wird McCaffrey fast philosophisch. Es sei wie in einem Orchester, in dem die Spielenden ebenfalls perfekt harmonieren müssten, nur ein Misston alles kaputt machen könne. Der Vergleich kommt nicht von ungefähr. Olivia Culpo, seine vier Jahre ältere Verlobte, war lange als Cellistin unterwegs. Sie habe ihn gelehrt, dass der Teil zwischen den Tönen für die Musik genauso wichtig sei. «Das hat mich berührt, denn als Runningback ist es das Gleiche: Entscheidend ist der Moment, bevor du die Lücke in der Abwehr entdeckst.»
Chance auf MVP-Award
Wie gut er das kann, hat McCaffrey in dieser Saison einmal mehr unter Beweis gestellt. 1647 Yards legte er am Boden zurück, dazu holte er über 600 Yards in der Luft heraus, also als Passempfänger. In seinen 18 Einsätzen kam er auf 25 Touchdowns.
Aufgrund dieser eindrücklichen Ausbeute ist CMC ein Anwärter auf den MVP-Award, der in der Nacht auf Freitag vergeben wird, jedoch schon fast traditionell an einen Quarterback geht. Weil von diesen keiner durchweg überzeugt hat, fordern einige Experten, dass der Runningback in die Kränze kommen soll. Dies gelang zuletzt Adrian Peterson vor zehn Jahren.
Es wäre für McCaffrey persönlich ein riesiger Erfolg, gleichzeitig aber auch für die Positionsgruppe als Ganzes. Denn gerade vor dieser Saison kämpften viele Runningbacks um Anerkennung. Während Starspieler auf anderen Positionen langfristige Verträge mit hohen Gehältern erhielten, scheiterten hoch gehandelte Runningbacks bei ihren Verhandlungen.
McCaffrey als Antithese
Die Gründe dafür sind vielfältig. Oft genannt wird, dass das Laufspiel in den letzten Jahren unwichtiger geworden sei. Es werde mehr gepasst. Und nicht abzustreiten ist, dass die Verletzungsgefahr auf der Position des Runningbacks grösser ist als auf anderen. Die meistens eher kleinen, dafür flinken Spieler rennen mit vollem Tempo auf Abwehrkolosse zu, denen sie nicht immer rechtzeitig ausweichen können.
Wenn es dann nach vier Jahren in ihren Rookie-Verträgen darum geht, einen besseren Lohn auszuhandeln, sind die Spieler nicht selten bereits etwas verbraucht. Deshalb holen manche Teams lieber frische Runningbacks aus dem Draft, die sie für vergleichsweise wenig Geld erhalten, statt ihren verdienten Spielern hohe Summen zu bezahlen.
McCaffrey ist in dieser Hinsicht die Antithese. Er zeigt auch in seinem siebten Profijahr aussergewöhnliche Leistungen. Dies notabene, nachdem er 2020 und 2021 mit Verletzungen zu kämpfen hatte. Mit dem Wechsel von den Carolina Panthers nach San Francisco im Oktober vor zwei Jahren verlieh er seiner Karriere neuen Schwung und darf nun auf die Krönung hoffen.