Stefan Küng liebäugelt in der 12. Etappe der Tour de France lange mit dem Sieg, am Ende muss sich der Thurgauer aber mit Platz 4 begnügen. Statt Küng gewinnt der Deutsche Nils Politt in Nîmes.
Es musste sich speziell angefühlt haben für Stefan Küng, als er sich am Donnerstag zum Etappenstart in Saint-Paul-Trois-Châteaux begeben hatte, die Strapazen vom Vortag mit der doppelten Überquerung des gefürchteten Mont Ventoux in den Beinen, und an seiner Seite nur noch drei Teamkollegen.
Stürze, das Wetter und die enormen Strapazen hinterliessen im Feld ihre Spuren. Küngs Equipe Groupama-FDJ war mit gleich vier Ausfällen in der ersten Tour-Hälfte von allen Teams am meisten betroffen. Mit Arnaud Démare fehlt der Truppe von Teamchef Marc Madiot seit dieser Woche nicht nur der Topsprinter und Etappenjäger Nummer 1, auch im Gesamtklassement musste sie ihre Ambitionen begraben, weil mit David Gaudu der Hoffnungsträger der Franzosen in der Ventoux-Etappe vom Mittwoch einen Hitzeschlag erlitten hatte und über 25 Minuten einbüsste.
Schweizer in der Offensive
Auch an Küng gingen die ersten elf Renntage nicht spurlos vorbei. Trotzdem schaffte es der Zeitfahr-Europameister in diesem 12. Teilstück in die 13 Fahrer grosse Ausreissergruppe, die sich nach einer hektischen Startphase mit Windkanten im Rhônetal gebildet hatte. Mit Stefan Bissegger war noch ein zweiter Thurgauer dabei.
Als Nils Politt 50 km vor dem Ziel mit einer Tempoverschärfung eine erste Selektion herbeiführte, konnte Küng im Gegensatz zu Bissegger, Weltmeister Julian Alaphilippe oder Sprintass André Greipel dem Deutschen noch folgen. Tour-Neuling Bissegger kam schliesslich als 13. ins Ziel, mit über fünf Minuten Rückstand.
Küng seinerseits schaffte den Sprung in die Vierergruppe, die den Tagessieg unter sich ausmachte. Doch als seine Gegner in einer kleinen Steigung 15 km vor dem Ziel das Tempo verschärften, musste er abreissen lassen. «Nach den Anstrengungen der letzten Tage merkte ich ziemlich bald, dass meine Reserven nicht gross genug sind», sagte Küng später.
Am Ende überquerte der Schweizer, der schon letzte Woche mit Platz 2 im Zeitfahren in Laval überzeugt hatte, die Ziellinie mit fast zwei Minuten Rückstand als Vierter. Statt dem 27-Jährigen aus Frauenfeld freute sich der gleichaltrige Politt über seinen ersten Etappenerfolg bei einer Grand Tour. Der Kölner schüttelte 12 km vor dem Ziel seine letzten beiden Konkurrenten ab und siegte solo mit einem Vorsprung von 31 Sekunden vor dem Spanier Imanol Erviti und dem Australier Harry Sweeny.
Politts Antwort auf Sagans Out
Nach der Aufgabe seines Captains Peter Sagan, der wegen Knieschmerzen, die von einem Sturz in der 3. Etappe herrühren, nicht mehr zum 12. Teilstück antrat, bescherte Politt der deutschen Mannschaft Bora-Hansgrohe den ersten Tagessieg bei dieser Tour. Politts zuvor grösser Erfolg war ein 2. Platz im Kopfsteinpflaster-Klassiker Paris-Roubaix 2019. Zuoberst auf dem Podest stand er in seiner Profi-Karriere zuvor erst einmal, bei seinem Etappensieg an der Deutschland-Rundfahrt vor drei Jahren.
Das Hauptfeld mit Leader Tadej Pogacar lag am Ende der 159,4 km langen Flachetappe fast 16 Minuten hinter dem Gewinner zurück. Der slowenische Vorjahressieger führt im Gesamtklassement weiterhin souverän vor dem Kolumbianer Rigoberto Uran (5:18 zurück) und dem Dänen Jonas Vingegaard (5:32).
In der 13. Etappe vom Freitag, die über flache 219,9 km von Nîmes nach Carcassonne führt, sind im Kampf um den Tagessieg wohl wieder die Sprinter an der Reihe.